Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
anfangen. Aber wie gesagt, ich hab die schlechte Angewohnheit, neugierig zu sein. Deshalb hab ich auch rausgekriegt, daß Ken und dieses Flittchen …«
Decker sprach bemüht langsam. »Erzählen Sie mir von dem Mann. Was hat er gemacht?«
»Eigentlich nichts. Er hat sich nur gebückt, dann hat er sich wieder aufgerichtet, die Hände in die Taschen gesteckt … hat sich umgesehen und ist rausgegangen. Ist das nicht seltsam?«
Decker nickte. Das war wirklich seltsam. Er würde der Sache nachgehen, sagte er so gelassen wie möglich.
27
Strapp saß an seinem Schreibtisch und drückte die Fingerspitzen aneinander. »Wie viele Leute aus dem Estelle haben Sie vernommen?« fragte er Decker.
»Alle. Aber das heißt nicht …«
Strapp unterbrach ihn. »Sagen Sie mir, wenn ich falsch orientiert bin, Lieutenant.«
Strapps Blick wanderte von Decker zu seiner Mannschaft. Nur der alte Gaynor fehlte. Sie umkreisten ihn wie Wölfe ihre Beute. Na und? Sollten sie doch. Er führte die Ermittlungen auf seine Art, nach seinem eigenen Rhythmus. So passierten weniger Fehler – methodische und politische.
»Ich lasse mich gern korrigieren«, sagte Strapp. »Von allen Anwesenden. Sie haben also jeden Gast und jeden Angestellten im Estelle einzeln vernommen. Ist das korrekt?«
Eine rhetorische Frage. Keiner antwortete.
»Wie viele waren das im ganzen, Lieutenant?«
Decker sah schon, wohin das führte. »Einhundertachtundvierzig.«
»Und nicht einer davon hat den Phantom-Mann gesehen …«
»In einer grünen Jacke«, unterbrach Marge.
»Ja, Detective. Ich kenne die Details. Darf ich fortfahren?«
»Pardon, Sir«, erwiderte Marge.
»Ich habe also richtig verstanden, Decker? Kein einziger hat dieses Phantom gesehen, den Mann in der grünen Jacke?«
Oliver meldete sich zu Wort. »Sir, viele Zeugen haben ausgesagt, daß der Schütze eine grüne Jacke trug.«
»Ja, Harlan Manz trug eine grüne Jacke, Detective.« Strapp klang gereizt. »Vergessen Sie die Jacke. Ich möchte wissen, welcher von Ihren einhundertachtundvierzig Zeugen diesen Phantom-Mann erwähnt hat.«
»Captain«, setzte Decker an. »Es war sofort, nachdem …«
Strapp brachte ihn mit erhobener Hand zum Schweigen. »Ich weiß, ich weiß. Der Schock. Und es dauert, bis der abklingt … bis die Erinnerungen zurückkommen. Alles unbestritten. Ich bin bereit, Mrs. Wetzels Aussage zu würdigen – wie war doch gleich ihr Vorname, Pete?«
»Tess«, sagte Decker.
Strapp faltete die Hände. »Na gut. Sagen wir, Mrs. Wetzel hat sich das nicht nur eingebildet. Bevor wir weiter über halbwüchsige Auftragskiller und Verschwörungstheorien Außerirdischer spekulieren, fangen wir noch mal von vorn an. Wie wär’s mit ein bißchen Ermittlungsarbeit?«
»Ich hatte sowieso vor, jeden Zeugen nachvernehmen zu lassen«, sagte Decker.
»Gut«, sagte Strapp. »Denn jetzt ist das ein Befehl. Setzen Sie nur niemanden unter Druck. Wer nicht reden will, wird später befragt. Schließlich ist der Anschlag erst drei Wochen her. Die Wunden sind noch nicht verheilt. Mit anderen Worten, wir konzentrieren uns auf die Zeugenbefragungen.«
Der Captain blickte Martinez scharf an. »Und wir hören auf damit, alberne Teenager zu überwachen, die nichts verbrochen haben, außer Scrabble zu spielen.« Dann war Webster dran. »Und wir lassen Sean Amos in Ruhe, der nichts verbrochen hat, bloß ein Schmock ist.«
»Er mißhandelt Frauen«, sagte Webster.
»Er hat seine Schwester am Arm gepackt, Detective«, entgegnete Strapp. »Stimmt, das ist nicht sehr nett. Aber wenn wir jeden großen Bruder verhaften, der seine kleine Schwester mal hart anpackt, dann haben wir bald die ganze Welt hinter Gittern.«
»Wenn das einer in Gegenwart der Polizei macht, ist es was anderes«, sagte Webster. »Dann hat es einen Aussagewert.«
»Das sagt gar nichts, Webster. Und schon gar nicht, was die Morde im Estelle angeht. Lassen Sie diesen Amos in Ruhe. Ist das klar?«
»Ja, Sir.«
»Gut.« Strapp blickte in die Runde. »Und wir vergessen Jeanine Garrison.«
»Was ist mit David Garrison?« fuhr Marge dazwischen. »Vergessen wir den auch?«
Strapp lief rot an. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. »Detective Dunn, Sie unterstehen hier meinem Kommando, nicht seinem.« Er zeigte mit dem Daumen in Deckers Richtung.
»Das war eine berechtigte Frage, Captain«, kam Decker ihr zu Hilfe. »Betrachten wir David Garrison als Selbstmord oder nehmen wir Ermittlungen auf?«
»Vorerst bleibt es beim Selbstmord«,
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