Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
Spätfilm sehen oder so was?«
Sie machte große Augen. »Haben denn deine Eltern nichts dagegen?«
»Meine Eltern sind gerade verreist.« Er rutschte auf dem Stuhl hin und her. »Ich kann Popcorn machen, und wir ziehn uns einen Horrorfilm rein. Das ist zwar nichts Besonderes, aber wenigstens brauchst du keine dummen Sprüche von mir zu befürchten. Ich bin total harmlos.«
Cindy zögerte einen Moment. »Bist du schwul?«
»Nein, nein!« Schon wieder wurde er knallrot. »Das wollte ich damit nicht sagen. Ich find’s nur schön, sich ein bißchen zu unterhalten. Das ist alles.«
Cindys Gedanken überstürzten sich. Was für eine Chance! Und was für eine Dummheit! Sie war selbst erschrocken, als sie sich sagen hörte: »Klar, warum nicht?«
Der Junge strahlte. »Toll. Du kannst hinter mir herfahren.«
»Mach ich. Aber erst muß ich noch telefonieren.«
»Das kannst du bei mir machen. Ich wohne nicht weit von hier.«
Sie standen auf. Joachim legte einen Zwanziger auf den Tisch.
»Du gibst aber üppiges Trinkgeld«, sagte Cindy.
»Ich hab da eine kleine Goldgrube.«
»Eine was?«
»Äh … ich gebe Nachhilfe. Dreißig Mäuse die Stunde.« Er grinste. »Manchmal lohnt es sich, ein bißchen schlauer zu sein.«
32
Sie hatte ein komisches Gefühl. Aber die Pistole in ihrer Handtasche machte sie verwegen. Sie überlegte: Ein Schüler, der eine Sechs-Dollar-Rechnung mit einem Zwanziger bezahlte? Ein Schüler, der einen lukrativen Nebenjob hatte? Nachhilfe, hatte er gesagt. Womit verdiente er wirklich sein Geld?
Was wollte sie überhaupt von ihm? Sie mußte rauskriegen, was ihn mit diesem abscheulichen Sean Amos verband. Entweder das oder ein Alibi, das seine Unschuld bewies.
Er fuhr einen alten Saab und bog flink um mehrere Ecken, bis er vor der Einfahrt eines flachen, holzverkleideten Ranchhauses hielt. Struppiger Rasen, ein paar Büsche. Sie parkte ihren Toyota hinter dem Saab; beide stiegen gleichzeitig aus. Er suchte an seinem Schlüsselbund, öffnete die Haustür und ließ ihr den Vortritt.
»Danke.«
Sie warf einen Blick in die Runde. Ein schlicht möbliertes Wohnzimmer – Couch und zwei Sessel, alter grauer Spannteppich, Fensterläden aus Holz. An den Wänden gerahmte Poster von Maxfield Parrish und Peter Maxx.
Joachim warf die Jacke aufs Sofa. »Mach’s dir bequem.«
»Waren deine Eltern Hippies?« fragte Cindy.
»Wieso Hippies?«
»Wegen der Poster.«
»Ach so.« Joachim schaute kurz zur Wand. »Eigentlich sind sie SF-Fans. Und gegen einen guten Fantasy-Roman haben sie auch nichts einzuwenden.« Er blickte auf. »Aber von Büchern verstehen sie mehr als von Kunst.«
»Parrish ist doch in Ordnung.«
»Ja, wenn man auf Kitsch steht. Du kannst ruhig die Jacke ausziehen.«
»Ich muß telefonieren.«
»Ach richtig.« Joachim zeigte auf das durchsichtige Telefon auf dem Tischchen neben dem Sofa.
Cindy nahm den Hörer ab. »Welcome to space age«, sagte das Telefon.
»Mein Vater hat da einen Chip eingebaut. Du sagst die Nummer, und es wählt für dich.«
Cindy blickte ihn an, dann das Telefon. »Ich komm schon zurecht. Du hast doch gesagt, du kannst Popcorn machen. Ich bin plötzlich wild auf Popcorn!«
»Klar. Bin gleich wieder da.«
Hastig tippte sie die Nummer ein, dazu eine Zwei und das Sternchen. Als Sam abnahm, flüsterte sie: »Ich bin bei ihm, es ist alles in Ordnung, ich ruf dich später an.«
»Das ist doch nicht dein Ernst!« sagte Sam mit erstickter Stimme.
»Ich muß jetzt Schluß machen …«
»Du bist wahnsinnig«, flüsterte Sam. »Hau sofort ab.«
Cindy hörte Rinas Stimme im Hintergrund. »Sammy, hör auf zu telefonieren und geh endlich ins Bett!«
»Sieht aus, als müßtest du abhauen«, sagte Cindy.
»Cindy, hör auf mit dem Wahnsinn!«
»Ich ruf dich später an.« Sie legte auf, ihr Herz raste im Galopp. Das war wirklich Wahnsinn. Was sollte diese ganze Trickserei? Was konnte sie überhaupt erreichen? Sie griff nach ihrer Handtasche und war erleichtert, als ihre Finger den kühlen Stahl berührten.
Was sollte schon passieren? Sie raffte ihren Mut zusammen und ging zur Küche. Ploppende Geräusche kamen aus der Mikrowelle.
»Möchtest du noch was anderes?« fragte er.
Sie mußte ihn beschäftigen.
»Hast du irgendwelches Gemüse?«
»Ich kann dir was zurechtmachen, wenn du möchtest.«
»Wenn’s dir nichts ausmacht?«
»Es macht mir nichts aus.«
»Oder wie wär’s mit Nachos?«
Joachim drehte sich zu ihr um. »Soll ich auch den Bankettsaal eindecken,
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