Decker & Lazarus 10 - Der Schlange List
lachte. »Vielen Dank, daß Sie sich die Zeit genommen haben. Sie waren sehr hilfreich.« Er versuchte es noch einmal, diesmal auf die sympathische Tour. Er seufzte tief. »Dieses schreckliche Massaker im Estelle … Ich weiß nicht … irgendwie hat uns das alle verändert.«
In der Leitung wurde es still. Decker sprach weiter. »Wenn wir solche Dinge in Zukunft doch verhindern könnten.«
»Wie wollen Sie das tun?« Sie klang verstört. »Wie kann man solche Monster daran hindern, durchzudrehen?«
»Nun … indem wir mit den Leuten reden.« Jetzt mußte er improvisieren. »Wir versuchen, Täterprofile zu erstellen, Madam. Damit wir abschätzen können, wer zu so etwas neigt.«
»Ich hoffe doch, daß es nicht zu viele solche Leute gibt!«
»Nein, nein, nein«, beruhigte Decker. »Kein Grund zur Besorgnis. Aber wenn wir als Strafverfolgungs- und Schutzbehörde ein bißchen besser begreifen, was diese Leute zu Tätern werden läßt … wie soll ich sagen? … dann haben sich die lästigen Fragen schon gelohnt.«
»Das könnte sein.«
Sonia hielt sich bedeckt. Wenigstens legte sie nicht auf. »Hören Sie. Ich würde Ihnen ja gern mehr erzählen, aber nicht hinter Jeanines Rücken. Wir sind nicht sehr eng befreundet, sie ist eher eine … Bekannte. Eine sehr starke Persönlichkeit. Wenn Sie ihr begegnen, werden Sie verstehen, was ich meine.«
»Sie haben sicher recht.« Decker stockte. »Sehr stark also?«
»Ja. Zur Feindin möchte man sie nicht haben.«
»Aha. Können Sie mir sagen, ob sie mit Harlan Manz ein Verhältnis hatte?«
»Jeanine hat keine Verhältnisse.« Sonia flüsterte fast. »Sie hat … Bewunderer. Und die schiebt sie umher wie Schachfiguren.«
»Sie steht auf Tennisspieler, hab ich recht?«
»Nein, sie … « Sonia brach ab. »Ich hab schon zu viel gesagt. Jetzt muß ich los.«
»Ms. Eaton, tun wir uns beide einen Gefallen. Ich erwähne unsere Unterhaltung nicht, wenn Sie auch dichthalten. Alles bleibt streng vertraulich.«
»Einverstanden.«
»Können Sie mir noch einen Gefallen tun?«
»Welchen?«
»Da es ja unter uns bleibt, möchte ich Sie bitten, Ihren Satz zu vollenden. Den über die Vorlieben von Jeanine.«
Ein angestrengtes Lachen. Dann sagte sie: »Jeanine liebt alles, was sich ihr nicht in den Weg stellt.«
Es war erst halb sieben, sicher würde er noch ein offenes Blumengeschäft finden. Decker verließ die Stadtautobahn und fuhr den Boulevard entlang. Wenn es hier nichts gab, konnte er immer noch zum Markt hinüber. Da sah er schon welche, aber keine schönen. Irgendwelche Trockenblumen in Tonschalen. Echte Notfallblumen. Für den Fall, daß man den Geburtstag der Sekretärin vergessen hat. Nichts für Rina, die würde das durchschauen. Außerdem wollte er wirklich was ganz Besonderes. Blumen, die all das zum Ausdruck brachten, was er über viele Jahre in sich unterdrückt hatte.
Müde war er, erschöpft und enttäuscht. Er hatte geglaubt, über alle weiblichen Tricks erhaben zu sein, nach der Scheidung hatte er sich einen Panzer zugelegt, eine abgeklärte, gesetzte Haltung. Nie wieder würde ihn so ein Miststück um den Verstand bringen, nein, besten Dank.
Als er Rina traf, wußte er sofort: Er hatte einen Schatz gefunden, einen seltenen, kostbaren Diamanten. Trotzdem hatte er sich Zeit genommen, ihr den Hof gemacht, bis ganz klar war, daß sie ihn so sehr wollte wie er sie. Und als sie nach New York fuhr, um über alles nachzudenken, hatte er das prima gefunden. Obwohl er froh war, als sie wiederkam.
Froh, aber vorsichtig.
Nichts übertreiben, nicht über die Stränge schlagen, alles ruhig angehen.
Es lief wunderbar, sie stellte keine Forderungen an ihn – abgesehen von den religiösen.
Religion. Ja, das war eine große Sache. Aber dann ging alles glatt. Er mußte natürlich genau die Art Jude werden, die sie wollte. Ein orthodoxer Jude. Koscher leben, den Sabbat einhalten, die Familie rein halten. Sonst wäre eine Heirat nicht in Frage gekommen. Und heiraten wollte er. Unbedingt.
Aber er fühlte sich nie im Nachteil. Rina war eine traditionelle Frau. Sie kümmerte sich um Haushalt und Kinder, er kümmerte sich um alles andere.
Eine altmodische Familie, und das war in Ordnung. Er hatte das Steuer in der Hand … war der würdige Familienvater.
Wie hatte er sich nur so täuschen können? Da tauchte eine Jeanine auf, und schon war er überrumpelt. Mußte begreifen, was eine sinnliche Frau alles mit ihm anstellen konnte. Wenn Jeanine ein reizendes Kätzchen war,
Weitere Kostenlose Bücher