Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
Ausrüstungsgegenstände herumflogen.
Doch gleich darauf verwandelte sich die Dunkelheit in blendendes Licht. Eine gewaltige Explosion schleuderte Feuer und Gesteinstrümmer in den Morgenhimmel.
Der Krach war unbeschreiblich. Decker hielt sich die Ohren zu, zuckte vor Schmerz zusammen. Die Erde wollte sich nicht wieder beruhigen. Nach der ersten Entladung öffnete sie plötzlich ihren Schlund und stieß tiefe, gewaltige Rülpser aus. Der Krankenwagen wurde davon erfasst und wie in einem Sturm herumgewirbelt. Decker klammerte sich fest; als sich seine Augen an das grelle Licht gewöhnt hatten, sah er durch den Feuersturm, wie die Bunker einer nach dem anderen explodierten.
Ein Inferno wie bei einem Vulkanausbruch. Innerhalb von Sekunden waren die Gebäude, die einst den Orden der Ringe Gottes beherbergt hatten, verschwunden. Vollkommen ausgelöscht. Nur noch Feuer, hoch auflodernde Flammen, dicker Rauch und glühende weiße Asche.
36
Nach vier Stunden Schlaf wurde Decker von einer Krankenschwester geweckt, die ihm Puls und Blutdruck maß und eine Spritze gab. Er regierte gereizt, polterte los, dass man in Krankenhäusern nie seine Ruhe bekäme und warum sie ihn nicht, verdammt noch mal, einfach schlafen ließ. Rina sagte etwas zu ihm – und zu der Krankenschwester, aber er bekam es nicht mit. In halber Bewusstlosigkeit ließ er die Prozedur über sich ergehen und schlief sofort wieder ein, nachdem der weiß gekleidete Teufel das Zimmer verlassen hatte.
Als er das nächste Mal aufwachte, dachte er an Marge und dass er bei ihr sein sollte. Er musste sich nur einen Bademantel anziehen und mit dem Fahrstuhl ein Stockwerk tiefer fahren; er wollte sie richtig reden hören.
Richtig reden.
Nicht nur Stöhnen und Ächzen und »ich hör dich« und »ja«. Er wollte ein Gespräch mit ihr führen, und wenn es nur ein einsilbiges war. Aber schon der Gedanke, sich zu bewegen, war unvorstellbar oder zumindest mit enormer Anstrengung verbunden. Außerdem zeigte der Wecker auf seinem Nachttisch 4 Uhr 06 an, und das schien 4 Uhr 06 am Morgen zu sein, nicht am Nachmittag, obwohl man in Krankenhäusern – wie in Kasinos – nie sagen kann, wie spät es ist.
Den Ausschlag gab Rina, die schlafend auf einem Feldbett lag. Ein Pfleger hatte es direkt neben das Krankenhausbett gestellt. Decker dachte sich, dass Rina um 4 Uhr 06 – nein, jetzt war es 4 Uhr 07 – am Nachmittag nicht schlafen würde. Sie wäre entweder wach, würde ein Buch lesen oder mit einer Schwester sprechen, oder sie wäre zu Hause und würde sich um Hannah kümmern.
Wer kümmerte sich um Hannah?
Wahrscheinlich seine Schwiegereltern. Oder vielleicht Cindy.
Er war sehr stolz auf seine Logik. Das bedeutete, dass er zu rationalen Schlussfolgerungen fähig war. Wieder fiel sein verschwommener Blick auf Rina, die in ein Laken gewickelt auf der harten Liege lag. Das Bild wurde überlagert von Bildern des Blutbades im Orden, von Körperteilen, die ins Leichenschauhaus transportiert wurden. Viele mit Laken bedeckte Tragen. Er wollte Rina aufwecken, nur um sicherzustellen, dass sie noch lebte, obwohl er genau wusste, dass sie am Leben war. Krankenhäuser bringen Patienten und Leichen nicht im selben Zimmer unter.
Also weckte er sie nicht, dachte, ja, sie ist am Leben, und ich sollte sie schlafen lassen. Und vielleicht sollte er auch noch ein bisschen schlafen.
Als er dann wieder zu sich kam, war Rinas Liege leer. Eine angstvolle Sekunde lang dachte er, sie sei vielleicht doch in dem Blutbad umgekommen. Aber wahrscheinlicher war, dass sie sich irgendwo in der Nähe befand und man demnach jetzt aufstehen konnte. Staubige Sonnenstrahlen drangen durch das briefmarkengroße Fenster des Krankenzimmers. Langsam schwang er seine Beine über die Bettkante und versuchte, sich aufzusetzen.
Die Welt begann sich zu drehen. In seinem Schädel wirbelte ein Karussell herum. Er senkte das Kinn auf die Brust und presste die Finger gegen die Schläfen, wollte das immer lauter werdende Dröhnen in seinen Ohren vertreiben. Vielleicht wurde es besser, wenn er aufstand. Er drückte sich hoch, kam schwankend auf die Füße.
Rina sagte: »Was machst du denn da!«
Decker sank zurück auf die Matratze, zu müde, um sich zu verteidigen. Allmählich setzte die Realität ein – wo er sich befand und was passiert war. Nachdem man ihn zur Beobachtung eingewiesen und in diesem Bett untergebracht hatte, war er zu erschöpft für Träume gewesen, zu entkräftet für Albträume. Aber er wusste,
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