Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
Luftfahrt, der Flugzeugindustrie oder bei einer dieser Denkfabriken. Tatsache ist, dass wir nicht wissen, über wie viel Geld Ganz verfügte. Wir wissen noch nicht mal, wer den Besitztitel des Ordens hält.«
»Du meinst, das Gebäude?«
»Das Gebäude, das Grundstück, die Bankkonten. Hat der Orden überhaupt eigene Bankkonten? Da es sich um einen Fall mit ungeklärter Todesursache handelt, sollten wir das vielleicht herausfinden.«
Einen Moment lang schwiegen alle. Dann sagte Marge: »Uns Ganz’ Finanzen vorzunehmen … findest du das einen sinnvollen Einsatz unserer Zeit, Pete?«
Sie hatte Recht. »Ist wahrscheinlich sinnvoller, erst den Autopsiebericht abzuwarten. Vielleicht steigere ich mich zu sehr rein.« Decker überlegte. »Wie viel hast du morgen zu tun, Margie? Könntest du zwei Stunden dafür erübrigen?«
»Kein Problem.«
»Okay, kümmere dich nur um das Grundlegende: Bankkonten, Aktien, Versicherungen …« Er hielt inne. »Dazu brauchst du mehr als zwei Stunden. Margie, du übernimmst die Bankkonten und die Aktien. Scott, du rufst beim Liegenschaftsamt an und findest raus, wer im Grundbuch als Besitzer eingetragen ist, dann hörst du dich wegen der Versicherungspolicen um.«
»Bei Selbstmord zahlen Versicherungen nicht, Pete«, gab Marge zu bedenken.
»Sie zahlen Sterbegeld, wenn es ein Unfalltod war. Und wenn er eine Versicherung für den Erlebensfall abgeschlossen hat, dürfte da ein hübsches Sümmchen fällig werden plus dem Sterbegeld.«
Oliver blieb zweifelnd. »Du willst, dass ich ohne ausreichende Begründung irgendwelche Versicherungen anrufe? Das kommt mir ein bisschen … weit hergeholt vor.«
Er hatte Recht. Ein weiterer Pluspunkt für Deckers Mannschaft. Er sagte: »Wie wär’s damit? Ganz hatte eine Professur an der Southwest University of Technology. Fakultätsmitglieder erhalten meist alle möglichen Vergünstigungen – Krankenversicherung, Autoversicherung, Lebensversicherung. Nimm das als Ausgangspunkt. Wenn du damit nicht weiterkommst, lass es sein, und wir überlegen noch mal.«
»In Ordnung.« Oliver sah zu Marge. »Isst du deine letzte Frühlingsrolle noch?«
»Du kannst sie haben.« Sie wandte sich an Decker. »Wenn Ganz irgendwo Geld gehortet hatte, wäre Venus dann nicht eine bessere Verdächtige als Europa?«
»Venus war nicht mit Ganz verheiratet. Kinder stehen in der Erbfolge ganz oben«, erwiderte Decker.
»Außer, er hat testamentarisch andere Verfügungen gemacht«, sagte Marge.
»Jupiter wirkt auf mich nicht wie jemand, der ein Testament hinterlässt«, meinte Oliver.
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, widersprach Decker. »Für jemanden, der es mit Spiritualität hatte, war er ganz schön erdgebunden – eine hübsche, jüngere Freundin, Getreue, die ihn bedienen, Menschen, die ihn verehren. Und eine leere Wodkaflasche unter seinem Bett. Klingt nicht gerade nach einem Kapuziner.«
Marge lächelte. »Wie viele Kapuziner kennst du denn, Pete?«
»Was hat denn Cappuccino damit zu tun?«, fragte Oliver verdattert. »Übrigens, will jemand Nachtisch?«
»Nicht für mich.« Decker trank seinen Tee aus. »Ich habe bereits Frühstück und Lunch mit der Familie verpasst. Ich würde es nicht wagen, auch noch das Abendessen zu verpassen.«
Jedes Mal, wenn Decker in die Auffahrt bog, wurde er nachdenklich. Weil ihn jeder Tag dem Ende ein wenig näher brachte, dem Abschied von dem Land, den Pferden, der Ranch, den Obstbäumen, der Freiheit, dieser sorglosen Zeit nach der Scheidung.
Na ja, sorglos war nicht ganz der passende Ausdruck.
In Wirklichkeit hatte er sich in dieser Zwischenphase miserabel gefühlt – einsam und gereizt. Wem zum Teufel machte er da eigentlich etwas vor? Er hatte schon seit über sieben Jahren nicht mehr den Marlboro-Mann gespielt. Das einzige, was der Marlboro-Mann und er gemeinsam hatten, war das Nikotin, das sie inhalierten.
Als er ausstieg, öffnete sich die Haustür, und ein spindeldürres Persönchen mit rotblonden Locken und ausgebreiteten Armen kam auf ihn zugerannt.
»Daddiiiiiiiiiie!«
»Hannah Rosiiiiiiie!« Decker beugte sich vor, fing sie auf und warf sie sich über die Schulter – ein kleiner, glucksender Sack. Er stieß die Haustür mit dem Fuß auf, ließ seinen Aktenkoffer fallen und warf die vor Entzücken quietschende Hannah auf das Sofa. Gleich darauf erschien Rina, Teller und Geschirrtuch in der Hand. Sie trug einen kastanienbraunen Pullover über einem Jeansrock. Ihr dickes schwarzes Haar wurde von einer
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