Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
Spange zurückgehalten. Vor kurzem hatte sie ihre langen Locken abgeschnitten. Jetzt fielen sie ihr nur noch bis knapp über die Schultern. Die neue Frisur passte gut zu ihrem hübschen Gesicht. Außer, dass sie die meiste Zeit, wie es ihre religiöse Überzeugung verlangte, die Haare mit einem Tuch oder einem Hut bedeckte oder zumindest als Knoten oder Zopf hochsteckte.
»Du bist schon da.« Sie sah auf die Wanduhr. »Und zu einer vernünftigen Zeit.«
Hannah hüpfte auf dem Sofa auf und ab. Wieder hob Decker sie hoch, warf sie in die Luft und setzte sie ab.
»Es duftet herrlich.«
»Hühnchen mit Knoblauch.«
»Hab ich noch Zeit, mich rasch zu duschen?«
»Meinetwegen schon.« Rina sah zu Hannah, die an Deckers Ärmel zerrte.
»Komm spielen, Daddy«, rief die Kleine.
»Gleich, Süße«, erwiderte Decker.
»Lass Daddy erst mal das Jackett ausziehen, Hannah.«
»Du kannst es in meinem Zimmer ausziehen.«
Hannahs Zimmer war ein Anbau an das Elternschlafzimmer. Decker hatte das Haus mit nur zwei Schlafzimmern gebaut. Nach seiner Scheidung hatte er nicht damit gerechnet, je wieder mehr Platz zu brauchen.
Hannah zog an der Hand ihres Vaters. »Komm schon, Daddy.«
»Hannah, lass ihn!«, schalt Rina.
Das kleine Mädchen schaute enttäuscht, sagte aber nichts. Rina hatte sofort ein schlechtes Gewissen. »Na, geht schon. Wir reden später.«
Die Fünfjährige strahlte wieder. »Prima. Komm.«
»Gleich, Schätzchen.« Decker hielt seine Ungeduld im Zaum. »Mit den Jungs ist alles okay?«
»Sie müssten gleich kommen.«
»Brauchst du mich für irgendwas?«
»Lass nur. Geh du mit deiner Tochter. Wir haben ja noch den ganzen Abend.« Sie sah ihn durchdringend an. »Du bist doch fertig mit der Arbeit, oder?«
Decker wand sich. »Scott und Margie kommen gegen acht vorbei. Aber nur für eine Stunde oder so.«
Rina sagte nichts. Sie hatte das schon öfter gehört.
»Nein, wirklich«, versicherte ihr Decker. »Wir brauchen nicht lange. Es geht um diese Ganz-Sache. Die ziemlich unkompliziert zu sein scheint – wenigstens im Moment.«
Auch das hatte sie schon gehört. »Ist schon in Ordnung. Um die Zeit bringe ich Hannah sowieso ins Bett.«
Wieder verzog Decker das Gesicht. »Hab ich nicht gesagt, dass ich sie heute ins Bett bringe?«
»Du kannst es morgen machen.«
»Das hab ich gestern Abend auch gesagt, stimmt’s?«
»Komm, Daddy! Wir wollen Kasperletheater spielen!«
»Geh, Peter«, sagte Rina. »Ich ruf dich, wenn das Essen auf dem Tisch steht.«
Hannah sagte: »Du kannst auf dem Boden sitzen, und ich baue auf.«
»Darf ich mich erst umziehen, Hannah?«
»Klar!«, rief sie großzügig.
»Und vielleicht kurz in die Zeitung schauen, während du aufbaust?«
Hannahs Gesicht verdüsterte sich.
»Treib’s nicht zu weit«, riet Rina.
»Wie dumm von mir«, sagte Decker. »Ich meinte natürlich, nach dem Abendessen.«
Hannah wurde wieder fröhlich. »Klar kannst du nach dem Abendessen Zeitung lesen, Daddy. Wenn wir mit Squiggles fertig sind.«
»Sie hat mich verplant«, beklagte sich Decker.
»Ja, das hat sie.« Rina lächelte wehmütig. »Die Glückliche. Sie muss erst noch lernen, wie vergeblich Pläne sein können.«
Pluto führte die Detectives in einen Alkoven neben dem Allerheiligsten. Die Wände waren mit Bücherregalen voll gestellt. Alle Bücher hatten mit Metaphysik zu tun, was Marge kaum überraschte. Nova, der Fußpfleger, zögerte, bevor er Marge gegenüber Platz nahm. Sofort setzte sich Oliver neben ihn, rückte ihm sozusagen auf die Pelle.
Nova war untersetzt, hatte schütteres Haar und schien Mitte dreißig zu sein. Er trug das Gewand eines privilegierten Helfers – blau mit der purpurfarbenen Weste –, doch auf seiner Weste war ein Äskulapstab aufgestickt. Sein rundes Gesicht war glatt, die Augen dunkel und groß. Das dünne, sandfarbene Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Seine Hände zitterten – wohl vor Nervosität. Zu Recht, wie Marge fand. Wie kam er dazu, einen Totenschein auszustellen!
Pluto blieb im Eingang stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Seine Haltung machte klar, dass er nicht daran dachte, sie allein zu lassen. Marge sah ihn an und sagte: »Danke, Sir, Sie können jetzt gehen.«
»Ich ziehe es vor zu bleiben«, erwiderte er.
»Das merke ich«, sagte Marge. »Ich versuche nur, höflich zu sein.«
Pluto blieb, wo er war.
Oliver zuckte die Schultern. »Wenn unsere Anwesenheit ein Problem ist, Sir, können wir Nova auch mit aufs Revier
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