Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
immer. Nur für ein Jahr. Ich glaube, das könntest du schaffen.«
Jacob atmete aus. Er war immer noch fassungslos. »Wann müsste ich denn da hin? Nächstes Jahr?«
»Nein, nein, nein. Erst im letzten Schuljahr. Ich schicke Sammy und dich doch nicht zur gleichen Zeit weg. Das wäre zu schwer für mich.«
»Also wäre ich nächstes Jahr auf jeden Fall noch hier?«
»Ja. Und das ist auch gut so, denn deine Noten in Hebräisch müssten sehr viel besser werden, damit du dort angenommen wirst. Außerdem musst du eine sehr gute Abschlussprüfung machen, mit mindestens achthundert Punkten in Mathe. Wasserstein meint, das dürfte für dich kein Problem sein – die achthundert Punkte.«
»Tja, er muss die Prüfung ja auch nicht machen.« Jacob ließ seine Fingergelenke knacken. »Aber ich glaube, das könnte ich hinkriegen. In Prüfungen bin ich nicht schlecht.«
»In der Schule sind alle der Meinung, dass du unterfordert bist, Yonkie, aber sie wissen nicht, was sie tun sollen.« Rinas Augen wurden feucht. »Mir gefällt die Vorstellung, dich wegzuschicken, gar nicht. Dein Leben war bisher voller Brüche. Aber die Zeit ist so kostbar. Warum sie verschwenden, wenn es etwas Besseres für dich gibt?«
»Ich weiß. Du versuchst, das Beste für mich zu tun.«
»Das ist zwar ein Klischee, aber es stimmt.« Rina streichelte sein Gesicht. »Du brauchst dich nicht jetzt zu entscheiden. Ich mache dir nur einen Vorschlag.«
Der Junge schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Wenn ich im Abschlussjahr auf die Ner Yisroel nach Baltimore ginge, wäre Sammy schon in New York?«
»Ja. Die beiden Städte sind sechs Stunden mit dem Zug oder vierzig Minuten per Flugzeug voneinander entfernt. Ihr beide könntet den Schabbes miteinander verbringen, wann immer ihr wollt.«
Jacob zuckte die Schultern. »Ich überlege es mir. Ich weiß, dass es dir wichtig ist.«
»Jacob, es geht nicht um mich. Es geht um dich.«
»Nein, Ima, es geht um dich. Wenn es nach mir ginge, würde ich die Schule schmeißen und … um die Welt segeln.«
Rina war verblüfft, nicht über seine Worte, sondern über seine Ehrlichkeit. »Du bist so unglücklich, Jacob. Was ist los?«
Wieder zuckte der Junge die Schultern.
»Bedrückt es dich, religiös zu sein?«
Er betrachtete seine Mutter. Woher wusste sie das? » Manchmal.« Er zögerte. »Es ist nicht nur das Religiöse. Es ist … na ja … ich weiß nicht. Alles kommt mir so sinnlos vor. Sieh dich an, Ima. Du bist ein guter Mensch. Du glaubst an Haschem. Du lebst nach den Regeln. Und dann, peng!« Er klatschte laut in die Hände. »Abba wird krank und stirbt. Und plötzlich bist du eine Witwe mit zwei kleinen Kindern.«
»Yonkie …«
»Und du machst weiter und heiratest wieder und denkst, das Leben wird wunderbar. Aber sieh dir an, was passiert. Er ist nie da. Und trotzdem wartest du bis spät in die Nacht auf ihn. Ich wette, dass er heute nicht mal nach Hause kommt.«
»Er kommt nicht heim.«
»Was hab ich dir gesagt?«
»Das ist nicht deine Sache, Yonkie.«
»Doch. Weil ich Tag für Tag mit ansehen muss, wie das Leben dich fertig macht.«
»Wie kommst du auf so was? Ich bin ein sehr glücklicher Mensch!«
»Fühlst du dich denn nie einsam, Ima?«, fragte Jacob hitzig. »Ich meine, Nacht für Nacht für Nacht … wie viele Bücher kann man denn lesen?«
Rina betrachtete ihren Sohn. »Du bist wirklich wütend auf Peter, oder?«
»Das ist es nicht, obwohl ich nicht weiß, warum er so gegen einen neuen Hund ist.«
»Wenn du wirklich einen neuen Hund willst, dann holen wir uns einen.«
»Darum geht es nicht.«
»Gingers Tod hat deinem Vater fast das Herz gebrochen, Jacob. Er tut sich sehr schwer mit Verlusten. Nicht nur mit seinen, mit denen aller Menschen! Er fühlt sich persönlich verantwortlich für alle Probleme der Welt.«
»Und was ist seine Entschuldigung? Er hat nie einen Vater verloren.«
»Vielleicht liegt es daran, dass er adoptiert wurde. Ich weiß es nicht.«
Das hatte Jacob ganz vergessen. »Hör zu, ich liebe Peter. Ich weiß, er gibt sein Bestes. Und mag sein, dass ihm die Welt in abstraktem Sinne am Herzen liegt. Aber ich glaube nicht, dass er viel Zeit darauf verwendet, an die Bedürfnisse anderer zu denken.«
»Er hat einen sehr anstrengenden Beruf, Yonkie.«
»Niemand hat ihn gezwungen, die Beförderung anzunehmen, Ima.« Jacob verdrehte die Augen, angewidert über sich selbst. »Ich jammere hier rum. Wenn es dir nichts ausmacht, allein zu sein, warum soll ich mir Sorgen
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