Decker & Lazarus 11 - Der wird Euch mit Feuer taufen
sich gegen die Arbeitsplatte. »Schießen Sie los.«
Decker dachte kurz nach. »Könnte es sein, dass jemand versucht hat, Jupiter durch eine allmähliche Arsenvergiftung zu töten … um keinen Verdacht zu erregen? Aber es ging ihm zu langsam, also hat er oder sie noch Barbiturate dazugenommen?«
»Mutmaßungen sind Ihr Gebiet«, sagte Little. »Aber möglich wäre es. Sie wissen so gut wie ich, dass eine Überdosis Alkohol und Nembutal längst nicht so verdächtig ist wie Tod durch Arsenvergiftung.«
»Laut Venus hat Jupiter seit sechs Monaten über Kopfund Bauchschmerzen geklagt.«
»Kopf- und Bauchschmerzen – Schwindelgefühle, Krämpfe, Durchfall – passen zu einer Schwermetall Vergiftung in kleinen Dosen. Größere Dosierungen hätten zu heftigen Leibschmerzen, motorischen Störungen, Benommenheit und nervösen Zuckungen geführt. Er hätte sich blutig gekratzt, denn Schwermetall kann zu Hautablösung führen. Wenn man noch höher dosiert, stirbt der Vergiftete. Und es ist kein angenehmer Tod.«
»Dr. Little?«
Sie drehte sich um. »Was ist, Anna?«
Die junge Laborantin hielt ein Röhrchen mit einer roten, dicken Flüssigkeit in der Hand. »Das ist kein menschliches Blut.«
»Hühnerblut?«, fragte Decker.
»Ich habe noch nicht alle Proteine typisiert, daher kann ich nicht sagen, welche Art Blut es ist. Nur, dass es kein Menschenblut ist.«
Little sah Decker an. »Sie sehen nicht überrascht aus.«
»Wenn Nova im Wohnzimmer getötet worden wäre, dann wären die Wände voller Blutspritzer gewesen.«
»Sie haben die Leiche also auf Grund einer Lache von Hühnerblut gefunden?«
»Pech.« Decker betrachtete den blutigen Torso, der immer noch im Schrank klemmte. Die Brustwarzen waren braun von getrocknetem Blut. Ohne den Kopf und die Gliedmaßen ließ sich der Rest besser ertragen.
Kopf und Gliedmaßen.
Plötzlich hatte er ein Bild vor Augen. Einen Totenschädel über gekreuzten Knochen auf einer Büchse, die auf dem Bord eines Werkzeugschuppens stand. »Rattengift enthält doch Arsen, oder?«, fragte er.
»Jep.«
»Und es schmeckt bitter.«
»Der Geschmack lässt sich überdecken. Wenn man kleine Mengen in Cola mischt oder in gesüßten Eistee … denken Sie an den Mensa-Killer in Florida. George … sowieso. Er hat’s mit Tallium gemacht.«
»George Trepal.«
»Man kann es auch als Pulver inhalieren, zusammen mit Kokain, oder es mit Crack rauchen.«
»Möglich.« Aber Decker dachte an die Dutzende von Vitaminfläschchen, die er in Jupiters Medizinschrank gefunden hatte. »Kann man das Rattengift in Medizinkapseln tun und dem Opfer weismachen, es wären Vitamine?«
»Das würde gehen.«
»Haben Sie die Fläschchen aus Jupiters Medizinschrank schon analysiert?«
»Nein. Dazu gab es keinen Grund.«
»Bis jetzt.«
»Von wie vielen Fläschchen reden wir?«
»Zwei Dutzend.«
»Das wird lange dauern, Lieutenant. Jede Kapsel muss geöffnet und durch den Gaschromatographen geschickt werden. Und selbst wenn wir Arsen in den Kapseln finden, was hilft Ihnen das? Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass er Arsen im Körper hatte. Die Kapseln verraten Ihnen nicht, wer es da reingetan hat.«
»Ich brauche die Ergebnisse trotzdem.«
»Kein Problem. Ich warne Sie nur, dass es lange dauern wird.«
»Wie lange kann man mit einer Arsenvergiftung leben?«
»Wenn das Gift langsam, in kleiner Dosierung und in unregelmäßigen Abständen zugeführt wird, dann lebt man schon noch eine Weile.«
»Sechs Monate?«
»Bestimmt.«
»Ein Jahr?«
»Möglich.«
Little kniete sich wieder hin und arbeitete weiter. Sie zwängte ihre Hände zwischen die Schrankwände und den Torso und begann zu ziehen.
»Wie schon gesagt, Arsen ist ein natürliches Element. Es zersetzt sich nicht, wird nicht ausgeschieden, baut sich also immer mehr auf. Größere Mengen lagern sich für gewöhnlich zuerst im Haar und in der Haut ab, wegen der raschen Zellerneuerung. Um wirklich feststellen zu können, über welchen Zeitraum er vergiftet wurde, muss ich Jupiters Knochen untersuchen. Knochenwachstum ist wie Baumringe. Wenn er Arsen in den Knochen hat, dann wissen wir, dass er seit langer Zeit vergiftet wurde.«
»Aber er würde sich ständig krank fühlen?«
»Absolut. Langsame Vergiftung ist ein gutes Mittel, um jemanden außer Gefecht zu setzen.« Ein letztes Ziehen, und der blutige Klumpen kam endlich frei. »Ja!« Little sah so zufrieden aus, als wäre sie eine Geburtshelferin. »Ich brauche sofort einen doppelwandigen
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