Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
eine in die Brust abgekriegt. Gott sei Dank war es nur mein Arm.«
»Können Sie die Szene noch einmal durchgehen? Nach dem Motto: Sie kamen gerade aus dem Krankenhaus, und dann …?«
»Gut, lassen Sie mich nachdenken.« Mace schloss die Augen. »Gil saß im Rollstuhl. Antoine war rechts davon, Grant links. Brady ging vor uns, Wie-heißt-er-doch-gleich folgte hinter uns.« Er machte eine Pause. »Und ich, wo war ich?« Noch eine Pause. »Ich war zwischen Gil und Wie-heißt-er-doch-gleich.«
»Kotsky?«, schlug Decker vor.
»Genau, der. Ich ging vor Kotsky, aber hinter Gil, Grant und Resseur. Ich hörte ein Knallen, und Kotsky … er schubst mich zu Boden. Als Nächstes erinnere ich mich daran, wie Wackelpudding zu zittern. Mein erster Gedanke war: Bitte, lieber Gott, lass mich nicht sterben und lass mich nicht in L.A. sterben.«
»Gott scheint Ihre Gebete erhört zu haben.«
»Vielleicht.« Dann fügte er murmelnd hinzu: »Zumindest dieses Mal.«
Decker überreichte ihm seine Karte. »Falls Sie etwas brauchen oder sich an etwas erinnern …«
Mace nahm die Karte entgegen und schaltete dann den Fernseher wieder ein. Ende der Unterhaltung.
»Die neuesten Artikel über das Greenridge-Projekt.« Lee Wang legte einen Stapel Papiere auf den Schreibtisch seines Vorgesetzten. Er strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht und setzte sich ungefragt hin. Sein braunes Jackett hatte Schulterposter, und die Ärmel waren ein paar Zentimeter zu kurz. Der Verkäufer musste auf Crack gewesen sein. Decker schob einen Haufen Telefonnotizen zur Seite, griff nach Lees Ausdrucken und unterdrückte ein Gähnen. In der letzten Nacht hatte er vier unruhige Stunden Schlaf gehabt, und selbst nach einigen Bechern Morgenkaffee musste er sich bewusst konzentrieren.
»Was lese ich da, Lee?«
»Die oberen sind kürzlich erschienene Artikel über Paul Pritchard von Cyclone Inc.«
»Greenridges Verderben. Kannst du das in zehn oder weniger Wörtern zusammenfassen?«
»Pritchard hält Greenridge für einen Flop. Das Projekt ist wie geplant nicht realisierbar. Ich weiß, das waren dreizehn Wörter, aber besser kann ich’s nicht.«
»Könnten seine Gefühle daher rühren, dass die Trauben für ihn zu hoch hängen?«
»Klar, aber lies die Artikel, Loo. Pritchard redet darüber, wie die Kosten von Greenridge bis zu einem Punkt in die Höhe geschossen sind, ab dem das Projekt tot ist. Er wartet nur noch auf die offizielle Beerdigung.«
»Woher weiß er so viel über die Finanzen der Kaffeys?«
»Nicht Kaffey Industries steht jetzt im Regen, sondern explizit das Greenridge-Projekt. Die prognostizierte Kostenanalyse war in einem Prospekt dargestellt, den Kaffey Industries an die Anleiheversicherer ausgegeben hat, um die kommunalen Anleihen abschließen zu können. Aber mit der jüngsten Destabilisierung des Marktes hat es auch die Kaffey-Gruppe hart getroffen. Dazu kommt, dass an Greenridge zusätzliche Kosten hängen, verursacht durch Verzögerungen und notwendige Nachbesserungen, die wiederum nötig waren, um vor Ort alle Genehmigungen zu bekommen. Wegen der schlechten Bedingungen auf dem Aktienmarkt und Kostenüberschreitungen wurde Greenridge am Ende beim Börsengang, bei dem ein A1-Rating erwartet worden war, herabgesenkt auf nahezu Junk-Bond-Status. Das bedeutet, die Kaffey-Gruppe muss sehr hohe Zinsen bieten, um Leute dazu zu bringen, Greenridge-Anleihen zu kaufen.«
»Noch mehr Kosten.«
»Genau«, sagte Wang. »Ich würde mich sogar so weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass ein ausgebuffter Kerl wie Guy Kaffey dem Projekt längst den Hahn zugedreht hätte. Aber jetzt, wo Guy nicht mehr ist, wer weiß?«
»Gibt es irgendwelche Informationen, wer Kaffey Industries leiten wird?«
»Die meisten Artikel sagen eine gleichmäßige Verteilung des Erbes unter den Söhnen voraus.«
»Und Mace? Sagtest du nicht ursprünglich mal, er halte einen winzigen Aktienanteil?«
»Ja, ich glaube schon.«
»Wenn Gil und Grant unterschiedlicher Auffassung sind, könnte Maces winziger Aktienanteil viel wert sein. Theoretisch könnten sich Grant und Mace gegen Gil verbünden und Greenridge am Leben halten.«
»Wenn die Söhne einen gleich hohen Aktienanteil erben und Mace weiterhin ein oder zwei Prozent halt, dann stimmt das wohl.«
Decker lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück und strich sich über den Schnurrbart. »Lee, was hältst du von den Morden? Sollte Gil zusammen mit seinen Eltern umgebracht werden?«
Wang dachte
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