Decker & Lazarus - 18 - Missgunst
Jetzt bleibt dir keine andere Wahl mehr. Du wirst bei deinen Eltern wohnen, bis wir herausgefunden haben, was da läuft.«
»Woher willst du wissen, dass der Junge in dem Honda Accord hinter Harriman her war? Du leitest die Ermittlungen im Fall Kaffey. Vielleicht ist er ja hinter dir her.«
»Wenn er es auf jemanden abgesehen hat, dann auf Harriman. Hör auf, mit mir zu diskutieren, und warte zur Abwechslung mal ab, was ich dazu zu sagen –«
»Zur Abwechslung? Das ist unfair! Ich habe alles gemacht, worum du mich gebeten hast.«
»Du bist an die Tür gegangen! Warum zum Teufel hast du das getan?«
»Weil Harriman verstört aussah. Ich wollte ihn nicht den Wölfen zum Fraß vorwerfen. Du bist hier nicht der Einzige mit Vorahnungen. Und, ich wiederhole mich, hätte Harriman das Gefühl gehabt, im Revier würde ihn jemand ernst nehmen, dann hätte er vielleicht nicht Zuflucht suchen müssen, um dich zu finden. Und hör auf, mich anzuschreien!«
Decker atmete tief durch. »Du ziehst zu deinen Eltern, okay?«
»In Ordnung.« Mit vom Adrenalin zittrigen Fingern drückte sie den roten Knopf ihres Handys. Es klingelte gleich wieder. Sie atmete laut aus und ging ran. »Ja?«
»Du hast einfach aufgelegt!«
»Es gibt ja auch nichts mehr dazu zu sagen.«
»Ich bin nervös«, sagte Decker in gemäßigtem Tonfall.
»Peter, es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Ich packe schnell alles zusammen und gehe zu meinen Eltern. Wir sehen uns dann, wann immer du nach Hause kommst.« Eine Pause. »Wann kommst du nach Hause?«
»Ich hatte vor, heute Nacht zu Hause zu sein, aber mir ist etwas dazwischengeraten, deshalb muss ich noch hier in Ponceville bleiben.« Eine Pause. »Na ja, eigentlich hierbleiben müssen muss ich nicht …«
»Tu, was immer du tun musst. Ich fahre los.«
»Rina, es tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe.«
»Und mir tut es leid, wenn ich die Sache falsch eingeschätzt habe, aber da du nicht da warst, um mich zu beraten, habe ich es so gut wie möglich gemacht.«
»Ich hätte dafür sorgen müssen, dass sich jemand um ihn kümmert, bevor es so weit kommen konnte.«
Sollte, hätte, müsste, dachte sie. »Ich bin vorsichtig. Und du bist es bitte auch.«
»Ich rufe dich später noch mal an.«
»Mach dir keine Sorgen, wenn ich dann gerade nicht da sein sollte. Ich wollte im Schießclub üben.«
»Gute Idee.«
»Ich tu das nicht, weil ich der Meinung bin, irgendwann schießen zu müssen. Aber im Moment habe ich das dringende Bedürfnis, mich abzureagieren, und soweit ich weiß, schießen Zielscheiben nicht zurück.«
Marge klopfte erst an Deckers Bürotür und ging dann hinein. In Rinas Gesicht spiegelte sich eine Mischung aus Wut, Frust und Müdigkeit wider. Sie stand vom Bürostuhl auf, strich ihren Jeansrock glatt und rückte den Schal, der ihr Haar bedeckte, zurecht. »Brauchst du das Büro, Marge?«
»Wann immer es dir passt.«
Rina stand auf. »Du hältst mich wahrscheinlich für eine Idiotin. Es war auch blöd von mir, die Tür zu öffnen, aber so bin ich nun mal. Ich suche nach dem Guten im Menschen, Peter nach den Macken.«
»Du bist ein sehr warmherziger Mensch, Rina. Und du hast Fingerspitzengefühl. In diesem Fall ist nichts passiert. Sei einfach ab jetzt vorsichtig, bis wir ein paar Antworten gefunden haben.«
Rina seufzte. Sie konnte von ihrem Ehemann nicht genauso viel Verständnis wie von Marge erwarten, aber man durfte ja wohl noch träumen. »Danke für deine ganze Hilfe.«
»Jederzeit.« Marge legte eine Hand auf Rinas Schulter. »Und beachte den Loo gar nicht. Er faucht jeden an, der in seine Nähe kommt. Er hat Angst um deinen Allerwertesten.« Das Diensttelefon klingelte. »Das ist er bestimmt. Soll ich ihm etwas von dir ausrichten?«
»Sag ihm, er soll auf seinen Allerwertesten aufpassen!« Rina winkte zum Abschied. »Der ist wesentlich größer als meiner.«
Da der Schreibtischstuhl jetzt frei war, setzte sich Marge dorthin. Es war fast drei Uhr nachmittags, und sie hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, aber die Grundbedürfnisse mussten noch einen Moment warten. »Hey, Rabbi, Folgendes habe ich über Esteban Cruz herausgefunden. Bist du bereit?«
»Ja, bin ich«, antwortete Decker.
»Keine Anzeigen, keine Haftbefehle, keine Vorstrafen. Ein ganz normaler Schulabbrecher. Oliver und ich werden gleich bei seiner alten Highschool vorbeifahren … mal sehen, mit wem er so Umgang hatte. Man hat nicht so viele B12-Tattoos auf dem gesamten Körper,
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