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Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition)

Titel: Deckfarbe: Ein Künstlerroman (Krimi im Gmeiner-Verlag) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renegald Gruwe
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trotz der Kopfschmerzen an die gestrige Nacht und den heutigen Morgen zu erinnern. Ein Blatt der Weide, unter der die beiden Männer saßen, fiel vom Baum herab und trudelte langsam herunter, um auf Katuschkes Schenkel liegen zu bleiben. Obwohl seine zitternde Hand direkt daneben auf dem Bein lag, war er nicht in der Lage, das Blatt einfach wegzuschieben.
    »Ich muss so um vier die Wirtschaft verlassen haben.«
    »Um vier?«, fragte Garoche, »Sperrstunde ist doch schon um ein Uhr.«
    »Beziehungen. Der Wirt der ›Sonne‹ ist der Schwager vom Löffel, deshalb dürfen er und seine Spießgesellen länger bleiben.«
    »Anscheinend bist auch du so ein Spießgeselle, nach allem, was man so hört.«
    »Quatsch!« Erwin wurde kurz böse und hielt sich gleich darauf wieder seinen schmerzenden Kopf. »Die lassen mich nur mitsaufen, weil ich bezahle. Den ganzen Abend, Runde für Runde. Schnaps und Bier und Buletten und Zigaretten. Nur deshalb darf ich mir ihre falschen Töne anhören, wenn sie ihre Lieder grölen. Sonst hätten die mir schon längst die Fresse poliert.«
    »Ach so ist das!«, stieß Garoche aus, dem allmählich die Vertrautheit und Fürsorge Löffels klar wurden. Auch dass er Zeichnungen von diesen Menschen machen durfte, leuchtete vor diesem Hintergrund ein. Nur sehen lassen durfte er sie seine Werke nicht. Tüchtig die Fresse poliert zu bekommen, wäre dann wohl das Geringste, was ihn erwarten würde.
    »Ja, so ist das. Und manchmal denke ich, ich warte nur darauf, dass sie endlich zuschlagen.« Mit dem letzten Satz bewegte er mühsam die Hände, um rhythmisch mit den Fäusten auf den Tisch zu schlagen, als sei er Aufseher und Taktgeber auf einer römischen Galeere und müsste den Ruderern das Tempo vorgeben. Immer schneller schlug er mit verzerrtem Gesicht auf den Tisch ein, dass dieser wackelte und die Flasche Wein und die Gläser herunterzufallen drohten.
    Garoche schrie den von Sinnen gewordenen Kollegen an und hielt ihm gleichzeitig die Arme fest, sodass er mit dem Trommeln aufhörte. »Reiß dich zusammen, Katuschke. Wenn du nicht mehr in die Wirtschaft gehst, können sie dir nichts antun. Außerdem ist es besser, weil du dann nicht mehr so viel von uns erzählst. Ich habe keine Lust auf einen weiteren Besuch deiner Freunde .«
    Katuschke beruhigte sich und goss mühsam Wein in sein Glas, um es mit zitternder Hand in einem einzigen Schluck zu leeren. Während er erneut eingoss, fügte Garoche seiner Ermahnung noch an: »Und das Trinken musst du verdammt noch mal einschränken. Wenn es nicht Löffel und seine Männer sind, wird es der Alkohol sein, der dich eines schönen Tages umbringt.«
    Es entstand eine minutenlange Pause. Der Blick Katuschkes ging ins Leere, und gegen seine Alkoholfahne hatte der zarte Duft der Weide nicht den Hauch einer Chance. Er schloss die Augen, hob seine Hände und faltete sie vor seiner Brust, als wollte er beten. In dieser Haltung verharrte er und nuschelte kaum hörbar: »Wie lange noch?« Dann, urplötzlich, öffnete Erwin Katuschke die Augen und sah Garoche mit einem klaren und scharfen Blick aus seinen dunkelbraunen Augen an. Als wäre er überhaupt nicht mehr betrunken, fragte er: »Dir macht das alles nichts aus, oder? Du malst deine Bilder, als ginge dich das, was um uns herum passiert, gar nichts an, was?«
    Garoche dachte an Eduard und seine Worte bei ihrem letzten Zusammensein, das im Streit endete. Es war schon seltsam, dass er sich solche Vorwürfe immer von Menschen machen lassen musste, die selbst, in welcher Form auch immer, aktiv mit den Nationalsozialisten zu tun hatten, mit ihnen irgendwie gemeinsame Sache machten – oder wenigstens mit ihnen soffen.
    Ada hatte, von den Künstlern unbemerkt, eine bestellte Flasche Wein gebracht und Katuschkes Wutanfall mitbekommen.
    »Du machst ihr Angst.« Garoche stand auf, nahm sie in den Arm und tröstete sie, indem er ihr Gesicht streichelte, fast wie bei einem Kind.
    »Ja, entschuldige, Ada, du kannst ja wirklich nichts dafür.« So verständnisvoll und ehrlich wie der Maler begonnen hatte, so sarkastisch fuhr er fort: »Du bist ja nur ein unschuldiges Mädel, das seinem Herrn die Flasche Wein und den Kuchen bringt. Du weißt nichts von den bösen deutschen Wölfen im bösen deutschen Wald. Ich kann dir ja mal ein wenig darüber erzählen. Aber es ist leider kein Märchen, und am Ende bin ich nicht sicher, dass die Guten gewinnen. Die Bösen haben nämlich alle große Ohren und ein noch größeres Maul. Und

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