Deebs, Tracy - Tempest - 01 - Tochter des Meer
Meeresungeheuer, das sich alle Mühe zu geben scheint, uns beide umzubringen? Ich konnte mir den Sarkasmus einfach nicht verkneifen.
Ja, richtig. Er hielt inne. Tiamat kann dir hier nichts tun.
Ist das ihr Name? Tiamat? Ich kramte in meinen Erinnerungen und versuchte herauszufinden, ob ich ihn schon einmal gehört hatte.
Komm hoch, dann erzähle ich dir alles über sie.
Mehr als bestürzt starrte ich in den engen Durchlass hinauf. Bist du dort oben?
Ja, bin ich. Seine Stimme wurde langsam ungeduldig. Und müde, sehr müde. Komm schon, Tempest. Vertrau mir.
Sagte die Spinne zur Fliege, dachte ich bei mir, nur um im Hinterkopf den Widerhall seines Lachens zu hören.
Ich muss doch sehr bitten, dass du mich hier mit achtbeinigem, blutsaugendem Ungeziefer vergleichst.
Genau genommen sind Spinnen Insekten und kein Ungeziefer. Und wenn es dir nicht gefallt, dann verschwinde aus meinem Kopf.
Trotzdem schob ich mich bereits vorwärts, den Blick fest auf das Loch gerichtet, das sich jetzt direkt über mir befand. Ich wusste nicht einmal genau, wie ich dort hinaufkommen sollte...
Wenn ich das wirklich tue, teilte ich ihm im coolsten Tonfall mit, den ich zustande brachte, dann bist du mir aber einiges schuldig.
Wieder folgte eine Pause, die diesmal deutlich länger dauerte als die erste. Dann kam: Ich stehe jetzt schon gewaltig in deiner Schuld. Ich kann kaum glauben, dass du mir gefolgt bist.
Trotz der fast eisigen Wassertemperatur bekam ich heiße Wangen. Na super, selbst zwanzigtausend Meilen unter dem Meer wurde ich noch rot. Hat diese Wassernixengeschichte denn überhaupt keine Vorteile?, fragte ich mich, während ich die Arme hob und zwei schmale Griffe packte, die innen auf beiden Seiten des Durchlasses befestigt waren.
Das muss dir nicht peinlich sein.
Verschwinde aus meinem Kopf, raunzte ich ihn an, während ich mich hinaufzog.
Es gab gerade genug Platz, um mich in das röhrenartige Gebilde hineinzuschlängeln - und vielleicht ein kleines bisschen mit den Füßen zu paddeln. Meine Arme waren mehr oder weniger nutzlos. Ich hatte sie immer noch vor den Kopf gestreckt und es war zu eng, um sie wieder an den Körper anzulegen.
Ich blickte geradewegs nach oben, sah aber nichts als Schwärze über mir und fühlte meinen ohnehin wackligen Entschluss immer mehr ins Wanken geraten. Der Sturzflug, mit dem ich vorhin in die Tiefe abgetaucht war, hatte meinen Kopf gehörig durcheinander gebracht und die Vorstellung, durch die gleiche Dunkelheit wieder hinauf zu müssen, verursachte mir Todesangst. Vor allem, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich mich vorwärtsbewegen sollte, wenn ich meine Glieder kaum rühren konnte.
Es wird alles gut. Konas Stimme war wie ein warmes, zartes Streicheln für meine angegriffenen Nerven. Vertraust du mir?
Ob ich dir vertraue?, fragte ich fassungslos zurück. Ich war für ihn in den eisigen Pazifik getaucht, hatte ihn eine gefühlte Ewigkeit verfolgt, ohne die geringste Ahnung zu haben, wohin ich schwamm. Ich hatte sogar versucht, mich für ihn in eine Wassernixe zu verwandeln. Wenn ich ihm nicht blind vertrauen würde, hätte ich wohl nichts davon getan.
Dann tu es, sagte er. Nur dieses eine Mal noch. Ich verspreche dir, dass du keine Angst mehr haben musst, wenn du hier oben ankommst.
Ja, wahrscheinlich bin ich dann schon in Schockstarre. Trotzdem stieß ich mich widerstrebend ab. Immer das Ziel im Auge behalten, sagte ich mir, während ich mich langsam durch den merkwürdigen Tunnel voranarbeitete. Oder wenigstens im Sinn. Hier drinnen ist es viel zu dunkel, um irgendetwas im Auge zu behalten.
Ich paddelte ein wenig mit den Füßen und benutzte die Hände, um Wasser zu verdrängen, doch ich kam nur langsam voran - zumindest die ersten zwanzig Meter. Dann hörte ich ein merkwürdiges Rauschen, wie das Donnern der Wellen an der Meeresoberfläche. Eine tückische, wirbelnde Strömung packte mich und katapultierte mich geradewegs nach oben. Wie in einem Aufzug im Empire State Building wurde ich in Sekundenschnelle einige hundert, wenn nicht sogar tausend Meter hinaufgetragen.
Die Tauchanfängerin in mir war entsetzt und sorgte sich darum, viel zu schnell und ohne die notwendigen Dekompressionsstopps aus großer Tiefe aufzusteigen. Sämtliche Warnungen meines Vaters über Taucherkrankheit und Tiefenrausch stürmten auf mich ein.
Du atmest aber weder Sauerstoff noch Stickstoff. Darüber musst du dir keine Gedanken machen.
Ja, natürlich. Ich hatte Kiemen. Ich musste mich vor nichts
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