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Deep Secrets - Berührung

Deep Secrets - Berührung

Titel: Deep Secrets - Berührung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Renee Jones
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bin bei solchen Dingen treffsicher und kann Menschen gut einschätzen. Meine Kinder in der Schule haben das oft zu spüren bekommen, wenn sie irgendeinen Streich im Sinn hatten.
    Ich lächle den Mann an und fühle mich sofort wohl neben ihm, obwohl ich – abgesehen von meinen Schülern – normalerweise ziemlich reserviert im Umgang mit Fremden bin. »Und Sie haben vergessen, Ihren Smoking abzuholen, wie ich sehe«, necke ich ihn. Ich frage mich, wie er es eigentlich geschafft hat, in diesem Aufzug hier hereinzukommen.
    Er streicht sich über den aschblonden Bart, der eher ein Zweitagebart ist. »Zumindest habe ich mich rasiert.«
    Mein Lächeln wird noch breiter, und ich will gerade antworten, aber das Pfeifen eines Mikrofons durchdringt den Raum. Ricco Alvarez – ich kenne sein Gesicht von Fotos – hat die Bühne betreten und stellt sich neben die Staffelei, auf der, verhängt mit einem weißen Laken, zweifellos sein neuestes Meisterwerk steht. Weltgewandt und James-Bond-mäßig in seinem Smoking ist er das absolute Gegenteil des Mannes neben mir.
    »Willkommen alle miteinander«, sagt er mit einer Stimme, in der – wie auch in seinen Arbeiten – ein deutlicher Akzent seines spanischen Erbes mitschwingt. »Ich bin Ricco Alvarez, und ich danke Ihnen an diesem wundervollen Abend dafür, dass Sie meine Liebe zu Kunst und Kindern teilen. Und so zeige ich Ihnen das, was ich
Chiquitos
nenne oder
Kleine Kinder

    Er reißt das Laken herunter, und alle keuchen überrascht auf. Das Bild ist so ganz anders als alles, was er zuvor gemacht hat. Statt einer Landschaft ist es ein Porträt von drei Kindern, alle verschiedener Nationalität, die einander an den Händen halten. Es ist gekonnt gemacht und passend zum Anlass. Aber insgeheim hatte ich mir eine seiner wunderbaren Landschaften gewünscht.
    Der Mann neben mir stützt einen Ellbogen aufs Knie und senkt die Stimme. »Was denken Sie?«
    »Es ist perfekt für den Abend«, antworte ich vorsichtig.
    »Oh, wie diplomatisch«, sagt er mit einem leisen Lachen. »Sie wollten eine Landschaft.«
    »Er malt wunderschöne Landschaften«, verteidige ich mich.
    Er grinst. »Er hätte eine Landschaft malen sollen.«
    »Und jetzt«, verkündet Ricco, »während das Bieten beginnt, werde ich die Runde durch den Raum machen und Fragen zu meinen zahlreichen Werken beantworten, die heute Abend hier ausgestellt sind. Ich hoffe das Vergnügen zu haben, möglichst viele von Ihnen kennenzulernen. Bitte, fühlen Sie sich frei, zur Bühne zu kommen, um
Chiquitos
genauer in Augenschein zu nehmen.«
    Fast sofort erheben sich die Leute.
    »Gehen Sie, um es sich aus der Nähe anzusehen?«, frage ich den Mann neben mir.
    »Ich stehe weder auf Menschenmengen«, sagt er, »noch auf Riccos Versuch, ein Porträt zu malen.« Er zwinkert mir zu. »Streicheln Sie nicht sein Ego, wenn Sie mit ihm sprechen. Es ist auch so schon groß genug.« Er beginnt die Reihe entlang in Richtung Ausgang zu gehen.
    Ich starre ihm nach, spüre ein seltsames Flattern im Magen und frage mich, wer er ist.
    Während ich einen Teil unseres Gesprächs im Geiste noch einmal durchgehe, runzle ich die Stirn. Ricco. Er hatte Ricco Alvarez Ricco genannt und von seinem Ego gesprochen, als kenne er ihn. Jetzt ist es zu spät, um herauszufinden, woher er ihn kennt, und Porträt hin, Porträt her, ich bin erpicht darauf, das ausgestellte Gemälde aus der Nähe zu sehen. Ich bin Ricco noch nicht begegnet, und es ist enttäuschend, aber ich bin trotzdem begeistert über die Gelegenheit, seine Werke anzuschauen.
    Irgendwann später gönne ich mir einen geruhsamen Rundgang durch die Galerie und erkunde die ganze Alvarez-Sammlung. Dabei finde ich auch einen Hinweis auf eine Ausstellung von Chris Merits Werken in einem anderen Raum. Merits Bilder habe ich im College studiert. Auch er kommt hier aus der Gegend, aber ich meine mich zu erinnern, dass er nach Paris gezogen ist. Aufgeregt mache ich mich auf den Weg in den Nebenraum. Seine Spezialitäten sind städtische Landschaften – größtenteils von San Francisco, sowohl aus der Vergangenheit wie auch der Gegenwart – und vollkommen realistisch ausgeführte Porträts, die so viel Tiefe und Seele haben, dass sie einfach atemberaubend sind.
    In dem kleinen Raum geselle ich mich zu einem älteren Paar, das darüber debattiert, welche von mehreren Landschaften sie kaufen wollen. Außerstande, mich zu bremsen, mische ich mich in ihr Gespräch ein. »Ich finde, sie sollten sie alle

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