Deep Secrets - Berührung
aber auch seine städtischen Landschaften sind prachtvoll. Und Sie?«
Er lehnt sich gegen den Rahmen. »Ich höre, er hat kein übertrieben aufgeblähtes Ego. Das verschafft ihm bei mir Pluspunkte.«
Ich lege den Kopf schräg und mustere ihn. Das unbeschwerte Geplauder entspannt mich. »Warum sind Sie hier, wenn Sie Ricco nicht mögen?«
Mark Compton erscheint in der Tür. »Ich sehe, Sie sind nicht weit weggegangen«, sagt er zu mir, dann beäugt er den anderen Mann. »Sagen Sie mir nicht, dass Sie bei Riccos Ausstellung für Ihre eigenen Sachen Werbung machen.« Er schaut mich an. »Hat er seine eigenen Werke angepriesen?«
Ich starre ihn an. »Moment. Seine eigenen Werke?« Ich hebe den Blick zu meinem namenlosen neuen Freund, der so gar nicht wie der Chris Merit aussieht, den ich von Fotos kenne. »Wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«
Seine Mundwinkel zucken. »Der Mann mit einem roten Schuh.« Mit diesen Worten dreht er sich um und geht davon.
Ich schüttle den Kopf. »Wie?« Ich drehe mich zu Mark um. »Was heißt das? Der Mann mit einem roten Schuh?«
»Wer weiß«, erwidert Mark und verzieht missbilligend die Lippen. »Chris hat einen verdrehten Sinn für Humor. Glücklicherweise merkt man seinen Bildern das nicht an.«
Mein Unterkiefer klappt herunter. »Warten Sie. Wollen Sie mir erzählen, dass das gerade Chris Merit war?« Ich zermartere mir das Gehirn wegen der Fotos, die ich von ihm gesehen habe, denn ich habe ihn ganz anders in Erinnerung. Verwechsle ich ihn mit irgendwem?
»Das ist Chris«, bestätigt er. »Und wie Sie gesehen haben, ist er ein wenig seltsam. Er hat in seinem eigenen Ausstellungsraum gestanden und Ihnen nicht einmal verraten, wer er ist.« Er stemmt die Hände in die Hüften. »Hören Sie, Tesse sagte mir, dass Sie … Es tut mir leid, ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«
»Sara«, antworte ich. »Sara McMillan.«
»Sara«, wiederholt er leise, als lasse er sich den Namen auf der Zunge zergehen – als lasse er
mich
auf der Zunge zergehen. Sekunden verstreichen, und der kleine Ausstellungsraum scheint noch weiter zu schrumpfen, bevor er hinzufügt: »Tesse hatte recht. Rebecca ist in Urlaub.«
Sein Tonfall wird jetzt wieder ganz geschäftsmäßig, und ich frage mich, ob ich mir den bedrohlichen Unterton nur eingebildet habe. Schließlich bin ich eine Meisterin darin, mich selbst verrückt zu machen. »Ich verstehe«, sage ich. »Gibt es irgendeine Möglichkeit, sie zu erreichen?«
»Wenn Sie einen Weg finden, geben Sie mir Bescheid«, antwortet er. »Sie hat eine zweiwöchige Kreuzfahrt mit irgendeinem reichen Typen gemacht, mit dem sie ausgegangen ist, und das hat sich in den ganzen Sommer verwandelt. Ich habe zugestimmt, weil sie gut in ihrem Job ist und die Kunden sie lieben. Aber mich auf Praktikanten zu verlassen, die keine Ahnung haben, was sie tun, bringt mich langsam um. Ich werde jemanden einstellen müssen, der für sie einspringt und tatsächlich weiß, was er tut.«
»Den ganzen Sommer«, wiederhole ich mit Missbehagen und denke darüber nach, wie seltsam das ist. Der ganze Sommer ist eine lange Zeit für eine berufstätige Frau. Und Marks Bemerkung über den »reichen Typen« kommt mir irgendwie genauso merkwürdig vor, obwohl sie vermutlich lediglich seinen Frust über Rebeccas verlängerten Urlaub ausdrückt. Oder vielleicht … könnte er eifersüchtig auf diesen reichen Mann sein? Ich schlage die Augen nieder. »Sie lässt Sie einfach auf dem Trockenen sitzen – das klingt gar nicht nach der verantwortungsbewussten Rebecca, die meine Schwester mir beschrieben hat.«
»Menschen sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen«, sagt er und deutet auf Chris Merits ausgestellte Bilder. »Die Kunst ahmt nicht immer den Künstler nach. Sie kennen einen Menschen nicht, solange Sie nicht hinter seine Fassade geblickt haben.«
Oder in seine Kommodenschubladen, denke ich schuldbewusst. Aber Rebecca machte auf mich nicht den Eindruck einer Frau, die vor ihrem Job davonläuft. Sie liebte ihre Arbeit.
Andererseits könnte ich mich natürlich irren. Auch wenn sie sich eine noch so verführerische Welt geschaffen hat, hatte sie auch Angst. Und ich will mehr denn je wissen, warum. Was hat solche Obsession ausgelöst, solche Furcht?
Plötzlich spüre ich, wie sehr ich auf Antworten brenne. Das Bedürfnis, ihr heute Abend dennoch nähergekommen zu sein, überwältigt mich, und bevor ich es mir verbieten kann, platze ich heraus: »Ich kann für den Rest des
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