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Defcon One 01 - Angriff auf Amerika

Defcon One 01 - Angriff auf Amerika

Titel: Defcon One 01 - Angriff auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Lettau
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musste er bald einen Steuerkurs gen Süden einschlagen, der ihn quer durch das Karibische Meer führen würde.
    Domínguez, ein Mann von schwer schätzbarem Alter, sah aus, als wäre er gerade vom Fluch der Karibik Filmset herübergekommen, um zur Abwechslung die Nachtschicht auf diesem rostigen Frachter zu übernehmen, in dessen offenem Bauch einige Container und die seltsamste Fracht, die er in seiner ganzen Karriere transportiert hatte, aufgestapelt waren. Domínguez bekam einen Hustenanfall, als er den letzten Zug aus seiner stinkenden Zigarette in die Lungen inhaliert hatte. Er schritt zur Tür des Ruderhauses, um einen Speichelklumpen auszuspucken. Er wischte sich die Hände an seinem ehemals weißen Unterhemd ab und griff an den speckigen Rand seiner Kapitänsmütze, um durch mehrmaliges Drehen etwas Schweiß von der Stirn aufzusaugen. Dann ließ er sich wieder in seinen Sessel hinter dem Steuer nieder und verfluchte lauthals das altersschwache Radiogerät. Sein Lieblingssender, Radio Reloj, war nicht mehr zu hören, und so nahm er die einzige abgeleierte Kassette, die das gesamte Musikrepertoire der Cojio darstellte, und steckte sie in den Schacht, dessen Deckel schon seit Ewigkeiten fehlte. Mit ohrenbetäubender Lautstärke ertönte eine Abfolge schmalztriefender kubanischer Volkslieder, die seinen Ersten Offizier, Jorge Hernandez, beinahe um den Verstand brachten.
    Hernandez, ein junger Mann mit pechschwarzem gescheiteltem Haar und Oberlippenbärtchen, kämpfte gegen die Müdigkeit an und versuchte durch Unmengen von Kaffee auf den Beinen zu bleiben. Lauthals schrie er gegen die Musik an, als er meinte, etwas am Himmel gesehen zu haben. Kapitän Domínguez schlug mit seinen Händen, die das Ausmaß von Tellern hatten, im Takt der Musik auf seine Jogginghose und drehte widerwillig die Lautstärke runter, wobei er plötzlich den Knopf des Geräts abbrach.
    »Barmherzige Jungfrau von El Cobre, ich habe dir schon tausend Mal gesagt, du sollst dir endlich eine Brille anschaffen. Was hast du denn nun schon wieder gesehen?«, spottete Domínguez und war sich sicher, dass sein junger Offizier mal wieder heimlich etwas in den Kaffee gekippt hatte.
    »Ich schwöre, Kapitän, da war etwas. Ein großer schwarzer Schatten. Ist steuerbord an uns vorbeigeflogen«, versicherte Hernandez.
    »Ach was, da war nichts. Sieh lieber zu, dass du das Radar im Auge behältst. Wer oder was soll hier schon rumfliegen? War bestimmt ein großer Vogel«, wiegelte der Kapitän die Bedenken seines Offiziers ab und konzentrierte sich auf die Reparatur seiner prähistorischen Musikanlage.
    Hernandez war sich aber seiner Sache so sicher, dass er einen zweiten Versuch unternahm und um Erlaubnis bat, das Ruderhaus verlassen zu dürfen.
    »Dann sieh meinetwegen nach, ob da irgendwas ist. Aber mach schnell, damit ich hier nicht alles alleine im Auge behalten muss. So wie es ausschaut, werden wir bald Regen bekommen. Es frischt schon auf und das Barometer sinkt. Und wenn meine Gelenke jucken, ist das ein untrügliches Zeichen für einen Wetterumschwung.«
    »Ich sehe aber keine einzige Wolke am Himmel, Kapitän«, bemerkte der junge Offizier und reckte den Hals weit nach vorne.
    In der Tat deutete nichts auf eine sich verschlechternde Wetterlage hin. Aber wenn der Alte so etwas behauptete, musste wahrscheinlich ein Funken Wahrheit darin liegen.
    »Einem alten Seemann soll man nicht widersprechen, mein Sohn. Und jetzt such deinen großen schwarzen Schatten, bevor ich es mir anders überlege!«
    Jorge Hernandez warf einen letzten Blick auf das Vorderschiff und die Umrisse der seltsamen Fracht, die sich unter den olivgrünen Gummiplanen abzeichnete. Dann kletterte er die Außentreppe hinunter, um dem merkwürdigen Schatten auf den Grund zu gehen. Sekunden später hatte ihn die Dunkelheit verschluckt.
    Der Junge ist noch total grün hinter den Ohren, dachte sich Domínguez und machte es sich in seinem neuen Korbsessel bequem, den eines der Besatzungsmitglieder hier oben für ihn aufgestellt hatte. Domínguez liebte es, in nächtlichen Stunden im Ruderhaus zu sitzen und der traditionellen Mùsica campenia zu lauschen, die ihn an seine bäuerliche Kindheit erinnerte.
    Er warf einen Blick auf die Titelseite der Gramma , des Zentralorgans der kommunistischen Partei Kubas, die sich wieder einmal mit den Auswirkungen der amerikanischen Seeblockade gegen sein Land beschäftigte. Er brauchte fast fünfzehn Minuten, um den mehrseitigen Artikel durchzulesen,

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