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Defcon One 01 - Angriff auf Amerika

Defcon One 01 - Angriff auf Amerika

Titel: Defcon One 01 - Angriff auf Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy Lettau
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interessiert schon die Geschichte, alle schauen nur noch nach vorne. Höher, schneller, weiter, mehr, mehr , mehr …«
    Miller hörte dem alten Mann aufmerksam zu. Er schien ein Relikt aus früheren Tagen zu sein, der mehr in der Erinnerung als im Jetzt lebte. Er fragte sich insgeheim, wie lange dieser Wächter hier schon arbeitete und wann er wohl in den Ruhestand gehen würde. Der Mann sah aus, als sei er mindestens neunzig Jahre alt.
    »Nicht dass Sie mich falsch verstehen«, fuhr der alte Mann fort, »Das mit den Anschlägen da drüben war eine schlimme Sache. Es sind so viele Unschuldige gestorben. Und wofür? Diese ganzen Kriege … Alles was dann folgte … Afghanistan, Irak … Ich meine … was haben wir da verloren? Man kann doch nicht ein ganzes Volk bestrafen. Aber was rede ich da? Ich verstehe nichts von Politik, da halte ich mich raus. Ich habe nur das Gefühl, dass es nie mehr besser wird. Die alte Ordnung ist dahin. Überall nur noch Chaos. Und unsere Politiker lassen junge Kerle in der ganzen Welt kämpfen; an Orten, von denen noch nie ein Mensch zuvor gehört hat. Ich hoffe nur, der Neue ist etwas besonnener.«
    » Der Neue ? Sie meinen Präsident Gilles?«
    »Ja, genau den. Was halten Sie von ihm?«
    »Das kann ich nicht beurteilen. Dafür kenne ich ihn zu wenig. In dem Land, wo ich geboren wurde, in Indien, haben wir andere Probleme. Wir wollen nicht die ganze Welt, wir wollen nur die Aufmerksamkeit der ganzen Welt, damit der Hunger und das Sterben bei uns endlich ein Ende haben. Wissen Sie, ich interessiere mich im Grunde genommen auch nicht für Politik. Ich bin Architekt, ich interessiere mich für die Gebäude dieser Stadt. Ich baue Krankenhäuser und Schulen in meiner Heimat. Studiert habe ich viele Jahre in Amerika, deshalb ist mein Englisch auch … hoffentlich akzeptabel«, lockte Miller seinen Gesprächspartner auf eine falsche Fährte, während der Wind zunehmend stärker über die Empore wehte. Mittlerweile hatte sich die Besucherterrasse vollständig geleert.
    »Indien? Das ist ganz schön weit weg von hier. Müsste so ungefähr in dieser Richtung liegen.«
    Der alte Mann streckte seinen Arm aus und deutete in östliche Richtung. Seine Mütze, seine dicken Brillengläser und die Schulterpartien seiner Uniform waren mittlerweile fast vollständig mit Schneeflocken bedeckt. Der Wind hatte an Heftigkeit zugenommen, und das Dach des Empire State Building war jetzt zu einem wahrhaft ungemütlichen Ort geworden.
    »Ob in diese Richtung oder in jene«, Miller hatte seine beiden Arme jeweils in östliche und westliche Richtung ausgebreitet, »spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Von hier aus gesehen liegt Indien genau genommen in der Mitte.« Er ließ einen kurzen Augenblick verstreichen, blickte hinaus in die verschwommene Dunkelheit, gegen die sich das Lichtermeer New Yorks zu behaupten versuchte, bevor er einen Entschluss fasste. Vielleicht könnte ihm dieser alte und redselige Narr bei einer etwas delikaten Angelegenheit behilflich sein.
    »Singh. Mein Name ist Manmohan Singh«, log Miller und war sich sicher, dass dieser Methusalem mit Sicherheit nicht den Namen des aktuellen indischen Ministerpräsidenten kennen würde. »Es hat mich gefreut, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich würde gerne viel mehr über dieses wunderschöne Bauwerk erfahren, aber ich sehe, Sie schließen jetzt. Es muss befriedigend für Sie sein, an diesem ganz besonderen Ort arbeiten zu dürfen. Wie lange machen Sie das schon hier? Oh, entschuldigen Sie, ich bin sehr aufdringlich. Sie wollen bestimmt Feierabend machen und einen heißen Kaffee trinken. Das möchte ich übrigens auch«, schrie Miller gegen den mittlerweile brüllenden Wind an. »Also machen Sie es gut, Sie sind ein netter Mensch. Ich werde mir jetzt irgendein Buch über diesen prachtvollen Wolkenkratzer kaufen. Auf Wiedersehen!«
    Steve Miller umarmte den alten Mann und drehte sich um. Dann ging er langsam auf die Tür zu, die in das Innere und zu den Fahrstühlen führte. Er blickte sich noch einmal kurz um und winkte. Der alte Mann stand da, seine Uniform flatterte im Wind, sein Gesicht war nass und er wischte sich etwas unbeholfen den Schnee von der Brille.
    »Bücher, was wollen Sie mit Büchern? Die wirklich interessanten Geschichten stehen nicht in den Büchern. Hier oben sind achtundsiebzig Jahre Geschichte dieses Gebäudes gespeichert«, schrie der alte Mann mit brüchiger Stimme und pochte sich dabei mit dem Finger an den Kopf. »Ich bin

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