Dein Auftritt Prinzessin
es meistens hinausläuft, weil ich so eine Mathe-Niete bin.
Aber immerhin können wir nebeneinander sitzen.
O Gott, das ist eine echte Tragödie! Falls ich wirklich ein Talent besitze - was ich stark bezweifle -, WIESO hat Lilly es mir dann nicht verraten? Dann hätte ich nämlich ein Argument, das ich Mrs Gupta entgegenschleudern könnte, falls sie vorhat, mich in den Werkraum zu verbannen.
Hä? Moment mal - was ist das? Die Stimme, die aus Mrs Guptas Büro dringt, kenn ich doch. Sie klingt fast wie...
Mittwoch, 21. Januar, in Grandmères Limousine
Ich kann noch immer nicht fassen, was Grandmère gemacht hat. Ich meine, wer macht denn SO WAS? Eine Schülerin einfach so aus dem Unterricht zu reißen?
Dabei ist sie mehr als erwachsen. Sie müsste mir mit gutem Beispiel vorangehen.
Und was tut sie stattdessen?
Erzählt erst eine dicke, fette LÜGE und lockt mich dann auch noch unter Vorspiegelung falscher Tatsachen vom Schulgelände.
Eins ist sicher: Wenn Mom und Dad davon erfahren, kann sich Clarisse Renaldo schon mal ihren Sarg aussuchen.
Ich hätte an dem Schock sterben können! Nur gut, dass ich dank meiner vegetarischen Ernährung so einen sensationell niedrigen Cholesterinwert habe, sonst hätte mich echt der Schlag getroffen, als sie aus Mrs Guptas Büro kam und im Rausgehen sagte: »Wir hoffen natürlich, dass er sich rasch wieder erholt. Aber man weiß eben nie, wie so etwas ausgeht.«
Ich spürte, wie mir bei ihrem Anblick alles Blut aus dem Gesicht wich. Nicht nur weil Grandmère bei Mrs Gupta war, sondern wegen dem, was sie sagte.
Ich sprang erschrocken auf, und mein Herz hämmerte so was von rasant, dass ich dachte, es hüpft mir gleich zur Brust raus.
»Was ist passiert?«, fragte ich panisch. »Ist was mit Dad? Ist der Krebs wieder da? Ist es das? Du kannst es mir ruhig sagen. Ich kann es verkraften.«
Was sie zu Mrs Gupta gesagt hatte, hörte sich doch echt so an, als wäre Dads Hodenkrebs wieder aufgeflammt und er müsste wieder ins Krankenhaus.
»Ich erzähle dir alles unterwegs«, sagte Grandmère sehr förmlich. »Komm mit.«
»Nein… bitte«, flehte ich, während ich ihr hinterherrannte und Lars mir hinterherrannte. »Du kannst es mir jetzt gleich sagen. Ich bin stark, ich werde es ertragen. Ich schwöre es. Ist Dad krank?«
»Wegen deiner Hausaufgaben musst du dir übrigens keine Gedanken machen, Mia«, rief mir Mrs Gupta hinterher, als wir schon den Gang hinunterhetzten. »Das Wichtigste ist jetzt, dass du für deinen Vater da bist.«
Das beantwortete alles. Dad war also wirklich krank!
»Ist es wieder der Krebs?«, fragte ich Grandmère, als wir aus der Schule traten und im Stechschritt zu ihrer Limousine eilten, die vor dem Steinlöwen am Eingangsportal der Albert-Einstein-Highschool parkte. »Was sagen die Ärzte? Hat er eine Chance? Braucht er eine Knochenmarksspende? Vielleicht käme ich ja als Spenderin infrage. Wir sind uns ja genetisch anscheinend ziemlich ähnlich, wie man an unseren Haaren sieht. Also, ich meine, an den Haaren, die er früher mal gehabt hat.«
Als wir in der Limousine saßen, warf mir Grandmère einen gereizten Blick zu. »Beruhige dich, Amelia. Der Zustand deines Vaters könnte nicht besser sein. Was mir viel mehr Sorgen macht, sind die Zustände an deiner Schule. Eine Befreiung vom Unterricht ist nur im Krankeitsfall möglich, das muss man sich mal vorstellen! Das ist grotesk! Jeder Mensch braucht von Zeit zu Zeit frei. Ich glaube, man nennt
so etwas einen TZFV, einen Tag zur freien Verfügung. Bon, Amelia, heute bekommst du deinen TZFV.«
Ich blinzelte sie aus meiner Ecke heraus verwirrt an, weil ich nicht ganz glauben konnte, was ich da hörte.
»Äh, Moment mal«, sagte ich. »Dann … dann ist Dad gar nicht krank?«
»Pah!«, machte Grandmère und zog ihre aufgemalten Augenbrauen hoch. »Als ich heute Morgen mit ihm sprach, erfreute er sich bester Gesundheit.«
»Aber dann …« Ich starrte sie entrüstet an. »Warum hast du Mrs Gupta dann …«
»Sie hätte dich doch sonst niemals aus der Schule gelassen«, sagte Grandmère und warf einen Blick auf ihre goldene, mit Brillanten besetzte Armbanduhr. »Wir sind spät dran. Es gibt doch nichts Anstrengenderes als übereifrige Pädagogen. Sie bilden sich ein, das Beste für die Schüler zu wollen, und vergessen dabei, dass man nicht nur im Klassenzimmer fürs Leben lernt.«
Ah. Allmählich dämmerte es mir. Grandmère hatte mich nicht aus dem Unterricht holen lassen, weil irgendjemand krank
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