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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Krankenhaus gebracht, und er kam vor ihnen wieder raus. Dass er unmittelbar danach weggezogen ist, lag daran, dass er rausgeworfen wurde – wegen Saufgelagen und Hausfriedensbruch und weil er den Hausmeister niedergeschlagen hat, als der versuchte, ihn zur Ruhe zu bringen. Er wurde bei der Polizei angezeigt, aber ich habe mir nie die Mühe gemacht, herauszufinden, was daraus wurde. Und was diese anderen Dinge angeht …«
    »Ja?«
    Seine Stimme wurde abweisend. »Um es gerade heraus zu sagen: Ich glaube nicht daran, Veum. Nicht, bevor ich es selbst sehe. Die Leute sollten sich darüber im Klaren sein – weißt du, was sie sagen? Dieser Våge, sagen sie, der hält ja zu diesen Jugendlichen, der Typ! Vor ein paar Monaten hatten sie eine Unterschriftensammlung, wollten den Club schließen lassen. Aber sie bekamen nicht genügend Unterschriften zusammen. Die meisten der Eltern von denen, die hier bei mir verkehren, haben den Wert eines Jugendclubs eingesehen, eines Ortes, wo die Kids sein können. Wenn wir den Club hier nicht hätten, dann hätten wir nicht nur eine Gang, wir hätten zwanzig, und wesentlich schlimmere als die von Johan und denen.«
    »Das ist gut möglich«, sagte ich. »Trotzdem geht es im Moment um diese Gang, und sie sind bestimmt keine Engel. Und wenn sie Engel sind, tragen sie jedenfalls keine Samthandschuhe.«
    Ich zeigte auf mein Gesicht, das noch die Schrammen der Auseinandersetzung vom Abend zuvor aufwies. »Ich war auch vorher keine Schönheit. Aber durch die Behandlung, die Joker und seine Gang mir gestern Abend oben bei ihrer Hütte zuteil werden ließen, bin ich nicht gerade schöner geworden.«
    »Du hast sie vielleicht provoziert?«
    »Ich habe jemandem einen Dienst erwiesen und einen entführten Jungen zurückgeholt.«
    Ich sah, dass er ein bisschen verblüfft war. »Was meinst du damit?«
    »Entführung nennen wir das in meinem Teil der Stadt. Ein Junge namens Roar. Neulich hatten sie sein Fahrrad gestohlen, gestern ihn.«
    »Das haben sie bestimmt nicht böse gemeint.«
    »Bestimmt nicht. So sah er nicht aus, als er mit auf den Rücken gebundenen Händen und einem schmutzigen Taschentuch im Mund und verweintem Gesicht dort lag. Er sah aus wie jemand, mit dem sie gespielt und den sie dann weggeworfen hatten.«
    Gunnar Våge stand auf und kam um den Schreibtisch herum. »Hör zu, Veum. Ich bin Realist. Ich glaube nicht, dass diese Jungen Engel sind. Ich versuche nicht um jeden Preis, sie zu verstehen. Nicht um jeden Preis. Aber ich versuche, sie zu verstehen, und ich kenne ihren Hintergrund ein wenig. Der ist meistens nicht besonders schön, und man kann gut begreifen, dass manche von ihnen bis obenhin voll Bitterkeit und Aggression sind. Nimm Johan zum Beispiel …«
    Er setzte sich auf die Schreibtischkante und faltete die Hände. Er erinnerte an einen Pastor, der gerade seinem Lieblingskon­firmanden anvertraut, dass auch er als Junge onaniert habe, dass man das aber hinter sich lasse, wenn man die neunzig überschritten habe. »Er hat nie einen Vater gehabt.« Er überlegte noch einmal. »Oder er hat tausend gehabt, wenn du verstehst, was ich meine. Ich glaube, seine Mutter hat nie gewusst, mit wem sie ihn eigentlich bekommen hat. Es waren einfach zu viele, es sind noch immer zu viele, und es waren zu viele, solange Johan auf der Welt ist. Die Leute nennen sie ein Flittchen. Ich habe ein bisschen mit ihr geredet – über Johan. Eigentlich ist sie eine ganz vernünftige Frau, wenn sie nüchtern ist. Aber das ist sie eben nur selten. Und warum sie so ist, wie sie ist, ja siehst du, danach kann man in ihrem Hintergrund suchen. Heimkind, mit dreizehn von einem Verwalter vergewaltigt, mit fünfzehn ins Mädchenheim weitergereicht, trieb sich in den letzten Kriegsjahren mit Deutschen rum und wurde hinterher dafür gebrandmarkt. Johan hat also einiges zu verarbeiten. Und er ist kein dummer Junge. Im Gegenteil: Er ist intelligent, ein blitzgescheiter Kerl. Mit einer solchen Intelligenz und einer solchen Mutter konnte er nur einen Weg einschlagen – oder vielleicht zwei. Er konnte Künstler werden oder Psychopath. Und er wurde Psychopath.«
    »Er kann immer noch Privatdetektiv werden«, sagte ich.
    Er sah mich kalt an. »Ich kenne deinen Typ, Veum. Ich habe nur allzu viele von euch gesehen. Ihr habt solche Angst vor dem Leben, dass ihr eine Mauer von Flapsigkeit um euch aufbaut. Für die traurigsten Schicksale habt ihr noch immer eine flotte Bemerkung, und eure alten Mütter verkauft ihr

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