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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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»ungefähr um diese Zeit … Na ja, er hatte mich schon am gleichen Abend gefragt, ob er sein Messer zurückbekommen könne. Komm morgen wieder, sagte ich. So kam er also, am Tag danach – stand da in der Tür, groß und dunkel und im Gesicht so unsicher wie ein Dreijähriger. Ich komm wegen des Messers, sagte er. Ich holte das Messer heraus und bat ihn, sich zu setzen, das Messer legte ich auf den Schreibtisch zwischen uns. Dann stellte ich ihm vorsichtig ein paar Fragen, versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen. Es kam nicht so viel dabei heraus, beim zweiten Mal auch nicht, aber so nach und nach.
    Eine Zeit lang war er beinah Stammgast hier unten. Beim ersten Mal, als er wieder ging, glaubte er, er müsse ein bisschen den harten Mann markieren. Er klappte das Messer zusammen und steckte es in die Tasche, hängte die Daumen an den Hosentaschen ein, sah mich finster an und sagte: Nimm mir das Messer nicht noch einmal weg, Mister. Und ging. Aber später kam es mir so vor, als müsse er bei jeder Gelegenheit das Messer zücken – nur damit ich es ihm abnahm, sodass er Veranlassung hatte, am nächsten Tag wiederzukommen. Selbstverständlich hatte er ein Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Ein einsamer Junge – wie es alle diese harten Burschen sind. Und er hat es verdammt noch mal nicht leicht gehabt.«
    »Das mag schon sein«, sagte ich. »Aber die, an denen er sein Mütchen kühlt, die haben es auch nicht so leicht.«
    »Was meinst du damit? Geht es um etwas Bestimmtes?«
    »Man hört ja … und man sieht ja selbst … das eine oder andere.«
    »Jetzt hör mal zu, Veum. Ich weiß nicht, warum du hergekommen bist, und ich weiß nicht, wer dich darum gebeten hat. Aber wenn du hier auftauchst wie ein … eine Art Westernheld, um für Ordnung zu sorgen, dann bist du bei mir an den Falschen geraten. Privatdetektive können nie Sozialpädagogen werden.«
    »Sozialpädagogik habe ich auch studiert, Abschluss in Stavanger 1969. Und ich habe beim Jugendamt gearbeitet – fünf Jahre. Was nicht viel heißen will, natürlich.«
    »Aber jetzt arbeitest du nicht mehr da. Du lebst vom Unglück anderer Menschen. Im Sozialbereich war wohl nicht genug Geld zu verdienen, kann ich mir vorstellen.«
    »Wenn du glaubst, es geht ums Geld, bist du herzlich eingeladen, mein Bankkonto zu inspizieren. Jederzeit und wo du willst. Es ist offen wie eine alte Hure und voll wie ein Abstinenzprediger. Und denk dran, ein Vergrößerungsglas mitzunehmen. Die Eingänge sind schwindelerregend. Ich habe der Sozialarbeit fünf Jahre meines Lebens geopfert und ich meine fünf Jahre. Das war vor dem Arbeitsschutzgesetz und – doch, ich hatte drei Wochen Ferien, aber ansonsten habe ich kaum einen Unterschied zwischen Sonntagen und Werktagen bemerkt. Meine Frau übrigens auch nicht, solange ich noch eine hatte. Und als die Sozialarbeit mich fünf Jahre gebraucht, meine Lebenskraft angenagt und meine Ehe ruiniert hatte und den ganzen Scheiß – da hat sie mich ausgespuckt, auf Grund eines kleinen Irrtums, eines einzigen kleinen Fehlgriffs. Also ums Geld geht es nicht, Våge. Es geht nur um eine andere Art und Weise, die gleichen Jobs zu machen. Nur, dass man sein eigener Herr ist, kein festes Gehalt bekommt und sich keinen Urlaub leisten kann.«
    »Noch was, was ich für dich tun kann?«, fragte Gunnar Våge müde.
    »Ich höre, dass Joker – oder Johan, wenn du willst – eine Gang hat, die hier die Leute terrorisiert. Dass allein stehende Mütter in ihre Hütte oben im Wald gezwungen und dort einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden, dass Leute, die ein Exempel statuieren wollen, zusammengeschlagen werden, dass …«
    Er streckte mir seine Handflächen entgegen, als wolle er sich gegen Schläge schützen: »Hör auf, Veum. Hör auf, hör auf!«
    Er schluckte und sagte: »Wenn du Detektiv sein willst, solltest du dich zuerst an das halten, was tatsächlich geschieht, an Fakten, und nicht an das, was die Leute reden – was du hörst. Zum Ersten: der Mann, der zusammengeschlagen wurde, wie du sagst – das ist jetzt eine Weile her. Ein ziemlich neurotischer Typ – und ein Blödmann. Er ist hier vor dem Supermarkt auf Johan losgegangen und hat ihn regelrecht bewusstlos geschlagen. Gut, schlägst du solche Kids, musst du damit rechnen, dass du eine Quittung bekommst. Sie haben auf ihn gewartet, als er eines Tages spät nach Hause kam, und er hat ein paar Schrammen abgekriegt, das stimmt. Aber drei der Jungs wurden mit ihm zusammen ins

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