Dein bis in den Tod
kann allerdings im Restaurant sitzen und sich vom Kellner die Drinks aus der Bar holen lassen. Aber ich holte mir meine Drinks lieber selbst.
Es war früh am Abend und die Bar war halb voll – oder halb leer, je nachdem, wie man es sah. Ich bestieg einen Hocker und klammerte mich an einen doppelten Whisky. Wenn ich in Bars sitze, trinke ich Whisky. Das passt besser zum Ambiente als Aquavit. Aquavit kann man zu Hause trinken oder im Fjell oder auf See oder auch wo immer. Nur nicht in Bars. In Bars trinkt man Whisky oder Wodka oder feinere Drinks, für die man ein Fremdwörterlexikon braucht, um sie bestellen zu können. Aber ich bin ein einfacher Mann mit einfachen Trinkgewohnheiten und mein Fremdwörterlexikon hatte ich zu Hause gelassen. Also bestellte ich Whisky.
Eine Frau war im Lokal. Das ist nämlich auch so, in diesem Hotel, dass immer eine Frau im Lokal ist. Es ist einer der sichersten Orte in der Stadt, wenn man daran interessiert ist, eine Frau zu treffen, und das Angebot umfasste die meisten Jahrgänge und Preisklassen.
Wenn man sie von hinten betrachtete, hätte sie zwanzig sein können. Sie trug Schwarz, Rock und Seidenbluse, ihre Beine waren schlank und ihr offenes Haar war auf eine Weise goldblond, die verriet, dass es nicht ihre natürliche Haarfarbe war.
Als sie sich umdrehte, sah man, dass sie eher fünfzig als zwanzig war. In ihrem Gesicht stand zu lesen, dass sie keine Illusionen mehr hatte, und genau solch eine Frau brauchte ich an diesem Abend.
Unsere Augen begegneten sich, ich nickte zu meinem Glas und sah sie fragend an. Sie stand auf und kam zu mir herüber, mit schwingenden Hüften und durstigen Lippen, aber ich war es nicht, wonach sie dürstete, denn sie bestellte Gin und Martini, auf meine Rechnung.
»Du kannst mich Sonne nennen«, sagte sie und ihre Stimme schnarrte wie ein schlecht eingestelltes Radio.
»Nenn mich Mond«, sagte ich.
Ihr Gesicht war zerfurcht, aber nicht vom Wetter. Es war eher an Interieurs als an Exterieurs gewöhnt, und ich bezweifelte, dass sie bei einer Forelle vorn und hinten unterscheiden konnte. Sie hatte wahrscheinlich niemals Kaffee aus einer rußgeschwärzten Kanne getrunken und wenn doch, dann war es lange her. Ihre Augen waren hell und wässerig von zu viel Gin, aber ihre Lippen waren voll und breit und gewöhnt, direkt aus der Flasche zu trinken. Ich nannte sie Sonne.
»Ich würde gern was essen«, sagte ich.
»Ich kann dir Gesellschaft leisten«, sagte sie. »Aber ich esse nie nach vier Uhr. Ich vertrage es nicht.«
Wir gingen hinein und setzten uns an einen Tisch an der Balustrade und sahen auf die wenigen Hotelgäste hinunter, die durch die Rezeption liefen. Einige unvermeidliche Engländer mit rot gefleckten Gesichtern und grünbraunen Kniebundhosen waren die einzigen Touristen. Sonst bestand die Klientel aus Handelsreisenden, Geschäftsleuten und mehr oder weniger professionellen Seminarteilnehmern.
»Ich bin nur auf der Durchreise«, sagte sie.
»Jeden Abend?«, fragte ich.
»Von Laksevåg nach Sandviken«, sagte sie. »Ich bin gerade umgezogen, in eine neue Wohnung.« Sie verfolgte den Rauch ihrer Zigarette. Er stieg langsam zur Decke, die hoch über uns hing.
Nach einigen Stunden Wartezeit brachte mir ein mürrischer Kellner ein verbranntes Pfeffersteak mit zerkochtem Gemüse. Aber die Kartoffeln waren ganz gut.
Sie sagte: »Wenn du Lust hast – könnte ich dich einladen – in die neue Wohnung.«
Ich sagte: »Ja? Ich habe mich schon immer für – Wohnungen interessiert.«
Sie hatte tiefe Kerben neben den Mundwinkeln und offene Poren in der Haut. »Das Dumme an der Wohnung ist nur, dass – die Miete so verdammt hoch ist.«
»Ach ja? Tja, meine Brieftasche sitzt locker und mein Bankkonto liegt sowieso in den letzten Zügen, also …«
Wir gingen. Ihre Wohnung war allerdings nicht in Sandviken, es sei denn sie rechnete die Øvregate zu Sandviken, und besonders neu sah sie auch nicht aus. Aber sie hatte einen ungepanschten Whisky von bestem Kaliber. »Irgendjemand hat ihn hier stehen lassen«, sagte sie und lehnte sich mit einem Arm, einem Bein und der einen Hüfte gegen die Wand.
Ich fühlte mich nicht besonders gut, und sie sah auch nicht gerade fit aus. Ihr Gesicht war das eines Menschen ohne Illusionen, und als sie sich auszog, sah ich, dass auch ihr Körper längst alle Illusionen aufgegeben hatte. Aber es war genau so ein Körper, wie ich ihn brauchte, in einer Nacht wie dieser.
Es erstaunte mich nicht, dass sie mich
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