Dein Blick in meiner Morgenroete
die Sache mit hineinzuziehen.«
»Ich kann sie nicht gehen lassen«, antwortete er rau. Er warf ihr erneut einen Blick zu und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, dann warf er mir im Rückspiegel einen kurzen Blick zu, ehe er sich wieder auf die Straße konzentrierte. »Ich kann sie nicht verlieren.« Den letzten Satz hatte er so leise gesprochen, dass ich mir nicht sicher war, ob ich ihn mir nur eingebildet hatte.
Wir bogen vom Highway auf einen Rastplatz ab und Darren hielt den Wagen an.
»Steig aus!«
Ich zuckte überrascht zusammen. Was wollte er? Wieso stieg er nicht aus, wenn wir hier Pause machen würden? Wieso nur ich …? Er würde doch nicht …?
»Was?«, fragte ich verwirrt.
»Steig aus!«, wiederholte er.
»Und Julia? Was …?«
Er wandte sich zu mir um und funkelte mich finster an.
»Ich habe dir gesagt, dass ich sie nicht gehen lassen werde, und ich habe dir auch gesagt, dass ich sie nicht töten werde. Du steigst hier aus und kehrst zu deinen Leuten zurück. Ich lasse dich laufen. Aber ich warne dich, versuche nicht, hinter mir und Julia herzukommen.«
»Du lässt mich laufen? Wa… warum?«
»Weil sie es mir nie verzeihen würde.«.
Mein Herz klopfte aufgeregt. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich töten oder zumindest irgendwo gefangen halten würde. Jetzt ließ er mich einfach so laufen.
Ich betrachtete das friedlich schlafende Mädchen. Wie konnte ich Julia allein lassen? Konnte ich Darren vertrauen, dass er ihr nichts anhaben würde? Ich schaute ihn an. Sein Blick ruhte auf ihr und ich konnte die Zärtlichkeit in seinen Augen sehen, die Sehnsucht, und ich hatte meine Antwort. Es schien verrückt, doch er liebte sie.
»Danke«, flüsterte ich leise und er sah auf. Er nickte nur.
Ich öffnete die Tür und mit einem letzten Blick auf Julia stieg ich aus. Kaum hatte ich die Tür geschlossen, setzte sich der Pick-up in Bewegung. Ich sah ihm hinterher, wie er sich wieder in den Verkehr auf dem Highway einfädelte. Eine ganze Weile stand ich wie erstarrt da und versuchte, zu verarbeiten, was passiert war.
›Cole‹, schoss es mir plötzlich in den Kopf. Bis jetzt hatte ich ihn aus meinem Kopf ausgeschlossen. Ich zögerte, ihn über unsere Verbindung zu kontaktieren. Ich musste ihn sehen. Das Beste wäre, zum Tribunal zu gehen. Vermutlich waren Cole und Basser jetzt dort in der Medizinstation. Ich konnte aber kein Portal hier mitten auf dem Parkplatz öffnen. Ich schaute mich um und entschied mich, es hinter dem Motel zu versuchen. Dort würde sich um diese Zeit sicher niemand aufhalten.
Langsam ging ich um das Gebäude herum. Müllcontainer und leere Bierfässer standen im Hinterhof. Niemand war hier zu sehen. Ich tippte hastig die Koordinaten für die Zentrale ein und wenig später erschien das Portal vor mir. Ich sprang hindurch und landete im Transitraum, wo ich von einem Agenten begrüßt wurde.
»Agent Faith«, sagte der junge Shadowcaster, der im Transitraum Dienst hatte. »Was für eine Erleichterung, dich zu sehen. Agent Koveena hat das halbe Tribunal auf dich angesetzt. Sieht so aus, als könnten wir die Agenten jetzt zurückrufen. Wie bist du entkommen?«
»Ich bin nicht entkommen. Darren, der Junge, der mich entführt hat, hat mich laufen lassen«, erklärte ich.
»Ich dachte, er wäre von der Umbra angeheuert worden, dich zu töten?«
»Das war er auch, doch er hat sich eben anders entschieden. Lasst ihn laufen. Er wird mir nichts mehr tun. Das weiß ich mit Sicherheit.«
Der Shadowcaster sah mich ein wenig zweifelnd an, dann nickte er.
»Du wirst dich auf jeden Fall trotzdem bei Tribun Lodair melden müssen. Ich geb Bescheid, dass du auf dem Weg bist.«
Ich seufzte. Ich wollte nach Cole sehen und nicht endlose Fragen des Tribuns über mich ergehen lassen müssen.
»Wie geht es meinem Gefährten und Agent Basser?«, fragte ich nervös.
»Sie sind beim Heiler. Sie werden ein wenig brauchen, sich zu erholen.«
Ich nickte. Mein Gebet war erhört worden und ich würde Cole wiedersehen. Wenngleich ich vorher leider erst zu Tribun Lodair zu gehen hatte, um meinen Bericht abzugeben.
»Okay, danke«, sagte ich müde. »Ich mach mich dann mal auf den Weg.«
K apitel 9
Die Unterredung mit dem Tribun dauerte beinahe eine Stunde und ich war so müde und erledigt, dass ich befürchtete, jeden Moment umzufallen. Schwankend schleppte ich mich durch die Flure zur Medizinstation. Endlich erreichte ich Labor 3, wo sich Cole aufhalten sollte. Das hatte mir jedenfalls
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