Dein Blut auf meinen Lippen
"Wer gegen Radus Gesetz verstößt, wird hingerichtet. Und das gilt auch für Vampire."
"Dein Blut durch meine Kehle rinnen zu lassen ist jede Strafe wert!", schrie Tybalt. Dann lachte er und streckte seine lange, raue Zunge heraus, während seine beiden Kumpane johlend applaudierten.
Das Geschrei musste bis ins Wirtshaus gedrungen sein, denn etliche Besucher kamen an die Fenster, und manche drängten neugierig auf die Straße. Den meisten war anzusehen, dass sie nichts gegen eine gepflegte Prügelei einzuwenden hatten, und Romeo überlegte fieberhaft, wie er sie beruhigen könnte, ehe es zu einem Blutvergießen kam.
"Wenn du dich mit mir schlagen willst, tu dir keinen Zwang an", sagte er zu Tybalt. "Aber ich werde nicht zurückschlagen, und mein Schwert bleibt in der Scheide. Entscheide selbst, ob ein solcher Kampf dir Ehre macht."
Der Vampir schien kurz nachzudenken, dann verzog er den Mund zu einem gemeinen Grinsen und gab seinen Kumpanen ein Zeichen, dass sie zur Seite treten sollten.
"Wie du willst, du erbärmlicher Feigling", erwiderte er. "Dann vernichte ich dich eben ohne Gegenwehr."
Tybalt wollte Romeo gerade packen, als Mercutio sich mit gezogenem Langschwert und hasserfülltem Blick schützend vor den Freund stellte.
"Du Höllenhund!", schrie er. "Ich fordere dich an Romeos Stelle heraus!"
Romeo schob seinen Freund zur Seite. "Lass gut sein, Mercutio! Das hier geht dich nichts an."
"Und ob es mich was angeht! Seit Jahren machen uns diese Blutsauger das Leben zur Hölle. Jetzt haben wir die Gelegenheit, zurückzuschlagen."
"Bitte, Mercutio, hör auf mich! Lass dich zu nichts hinreißen, was du später bereust! Ich komme alleine klar." Romeo hatte so große Angst um den Freund, dass ihm fast die Stimme versagte.
"Du? Du bist doch noch nie in die Schlacht gezogen. Ich werde diesem Bastard das Fell über die Ohren ziehen und es unserer Sammlung einverleiben." Nach diesen Worten stürmte Mercutio mit erhobenem Schwert auf Tybalt los.
Der Vampir holte mit seinem muskulösen Arm aus und streckte Mercutio mit einem einzigen Schlag seiner gewaltigen Pranke nieder. Der Getroffene blutete aus einer Wunde, die von der Nase bis zum Ohr quer über seine Wange lief.
"Ich werde dich bei lebendigem Leibe aussaugen!", brüllte Tybalt.
"Lass von ihm ab, Tybalt!", schrie Romeo und wollte dazwischengehen.
Doch bevor er eingreifen konnte, packte Benvolio ihn von hinten und nahm ihn in den Schwitzkasten. Dann zog sein Cousin ihn trotz heftiger Gegenwehr an den Rand des Geschehens, wo die anderen Gaffer standen.
"Ich lasse nicht zu, dass du den Ruf der Montagues ruinierst", zischte Benvolio durch seine zusammengepressten Zähne.
Romeo versuchte, seinen Bezwinger mit einem Tritt loszuwerden, aber Benvolio drückte mit seinen kräftigen Armen nur noch stärker zu.
"Lass mich los, verdammt!", keuchte Romeo mit hochrotem Kopf. Benvolio drückte ihm jedoch nur noch stärker die Luftröhre zu.
Und so konnte Romeo nichts anderes tun, als am Rande des Geschehens dem erbitterten Kampf zuzuschauen, den sich Mercutio und Tybalt vor dem Wirtshaus lieferten.
Blutüberströmt war sein Freund inzwischen wieder aufgestanden, hielt sein Schwert mit beiden Händen und umkreiste den Vampir. Mittlerweile war es dunkel geworden, und die scharfe Klinge blitzte immer wieder im Mondlicht auf. Tybalt drehte sich mit seinem Gegner und lauerte darauf, einen weiteren Angriff zu starten.
Der Vampir, dessen Arme locker herabhingen, schien überhaupt keine Angst zu haben - Romeo dagegen umso mehr. Wie Mercutio ganz richtig gesagt hatte, war er noch zu jung, um in der Familienfehde schon Kampferfahrung gesammelt zu haben. Trotzdem konnte er erkennen, dass hier ein Kampf im Gange war, bei dem es am Ende mindestens einen Toten geben würde. Und alles nur seinetwegen!
"Mach ihn fertig, Mercutio!", schrie Benvolio.
Als hätte Mercutio auf diese Ermunterung nur gewartet, stürzte er sich mit Kampfgebrüll und hocherhobenem Schwert auf den Feind und schlug zu. Doch Tybalt wich ihm geschickt aus. Blitzschnell schlug Mercutio ein zweites Mal zu, dieses Mal von unten nach oben. Damit hatte Tybalt nicht gerechnet, aber er war wendig genug, um dem Hieb mit einem akrobatischen Überschlag zu entgehen. Noch drei Mal pfiff Mercutios Schwert durch die Luft, ohne den Vampir zu treffen.
"Gib endlich auf, Mercutio!", brüllte Romeo, trat einen Schritt zurück und verlagerte sein Gewicht. Dann schleuderte er Benvolio geschickt über die Schulter und
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