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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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durch die Scheune fegte.
    "Wissen meine Eltern Bescheid?", fragte Romeo. Im Grunde kannte er die Antwort, aber er wünschte, Benvolio würde etwas anderes sagen.
    "Ja. Wir haben einen Boten nach Serbien geschickt und sie benachrichtigt", sagte Benvolio jedoch.
    Romeo fuhr sich mit der Hand durchs Haar und seufzte. "Was, glaubst du, wird passieren, wenn sie nach Transsilvanien zurückkehren?"
    "Dann werden sie Truppen gegen die Capulets in Marsch setzen, um Rache für Mercutio und dich zu nehmen."
    Es sah ganz so aus, als würde die Gewalt, die Romeo als Reaktion auf seine Hochzeit mit Julia fürchtete, so oder so ausbrechen.
    "Das müssen wir verhindern!", rief er und schlug mit der geballten Faust gegen die Wand.
    "Warum denn? Keiner von uns hat jemals ernsthaft geglaubt, dass Fürst Radus Friedensvertrag die Capulets von ihren grausamen Attacken auf unschuldige Menschen abbringen würde. Wann begreifst du endlich, dass sie einfach nur Monster sind und es immer bleiben werden?"
    "Das muss doch irgendwann aufhören, Benvolio! Wie viele Tote muss es denn noch geben, bis beide Seiten einsehen, dass diese Familienfehde zu nichts führt?" Romeo war so erregt, dass er fast schrie.
    "Das kann ich dir ganz genau sagen", erwiderte Benvolio verächtlich. "Das Töten hört erst auf, wenn Vampire wie die Capulets vom Erdboden verschwunden sind." Benvolio war nicht weniger erregt. "Davon bin ich jetzt mehr denn je überzeugt."
    Romeo warf die Arme in die Luft. "Mit dir kann man nicht reden, Benvolio! Du steckst so voller Hass und Wut, dass du nicht mehr klar denken kannst!"
    "Wenn es um die Capulets geht, könntest du damit sogar recht haben", gab Benvolio zu. "Aber das ist nichts, wofür ich mich schämen müsste. Gnade und Vergebung sind etwas für Menschen, Romeo - und damit meine ich Leute, denen das Wohlergehen ihrer Nächsten etwas bedeutet. Unschuldige Menschen, die einfach nur in Frieden leben wollen. Für Feinde wie die Capulets sind Gnade und Vergebung völlig fehl am Platze."
    Romeo schüttelte den Kopf. Er wollte sich nicht mit seinem Cousin entzweien, genauso wenig wie mit dem Rest seiner Familie, aber offenbar hatte er keine andere Wahl. Die Montagues schienen wild entschlossen zu sein, mit der Gewalt fortzufahren. Genau wie die Capulets. Umso dringender mussten Julia und er das Land verlassen und einen Ort finden, an dem sie ihre Liebe leben konnten.
    "Dann erübrigt sich wohl jedes weitere Wort", meinte Romeo.
    Benvolio verschränkte die Arme vor der Brust und sagte stur: "So ist es."
    Romeo schwieg eine Weile, ehe er fragte: "Hat man dir im Kloster gesagt, wie lange ich noch in diesem Versteck bleiben soll?"
    "Nein. Aber wenn du mich fragst, solltest du dich auf einen längeren Aufenthalt einstellen."
    "Warum das?" Romeo rieb die Hände aneinander, die vor Kälte langsam taub wurden.
    "Die Gegend hier wurde gerade unter eine zweiwöchige Quarantäne gestellt", erklärte Benvolio. "Eine Pockenepidemie ist ausgebrochen, und niemand – absolut niemand - darf frei umherreisen, geschweige denn die Grenze passieren."
    Entsetzt riss Romeo die Augen auf. Noch zwei Wochen, bis er Julia Wiedersehen konnte? Das kam gar nicht infrage! Wenn er so lange nichts von sich hören ließe, müsste sie den Eindruck bekommen, dass er nichts mehr von ihr wissen wollte. Er konnte Benvolio - oder sonst jemandem - ja keine Nachricht für sie mitgeben. Ihm blieb also keine andere Wahl.
    "Ich komme mit dir zurück, Benvolio“, verkündete er.
    "Bist du verrückt geworden? Es war schwer genug, mich allein zu dir durchzuschlagen. Überall lauern walachische und moldawische Milizen! Nein, nein, Romeo, du bleibst hier!"
    "Aber ich muss -", begann Romeo ganz verzweifelt. Aber Benvolio packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn so durch, dass er nicht weitersprechen konnte.
    "Was immer du tun zu müssen glaubst, Romeo, ist es nicht wert, dass du dein Leben dafür riskierst", sagte Benvolio und ließ keinen Widerspruch zu.
    Er konnte ja nicht wissen, dass es etwas gab, wofür Romeo nur zu gern sein Leben riskiert hätte.

 

    Der Ballsaal in der Großen Halle des Schlosses stand ganz im Zeichen der Hochzeitsvorbereitungen, als Julia um Viertel vor zehn nach Hause zurückkehrte. Sie schwebte über einen frisch gereinigten Fußboden und musste aufpassen, dass sie nicht mit Heerscharen von Bediensteten zusammenstieß, die alle möglichen Möbelstücke verrückten, um Platz für die geladenen Gäste zu schaffen. Überall waren große

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