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Dein Blut auf meinen Lippen

Dein Blut auf meinen Lippen

Titel: Dein Blut auf meinen Lippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Gabe
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ihn zu packen, aber der Vampir wich ihm aus, indem er sich in die Luft erhob. Als er wieder herabschnellte, rammte er Romeo den Ellenbogen aufs Schlüsselbein. Der Schmerz war gewaltig und zog Romeo durch den ganzen Arm, sodass er den Dolch fallen ließ.
    Obwohl Romeo sich schnell bückte, um ihn wieder aufzuheben, war der Vampir so geistesgegenwärtig, seinen Fuß auf die Waffe zu stellen und sie dann mindestens zwanzig Meter weit fortzutreten. Sie schlitterte unter dem Zaungitter hindurch, sodass Romeo sie nicht mehr erreichen konnte.
    Mit kreisenden Kopfbewegungen lockerte Graf Paris seine Hals- und Nackenmuskulatur und machte sich so zum entscheidenden Angriff bereit. "Atme noch einmal tief durch, Montague", zischte er. "Es wird dein letzter Atemzug sein!"
    Romeo schaute sich nach etwas um, das sich als Waffe eignete, konnte aber nichts Brauchbares entdecken. Graf Paris stand vor einem Baum mit tiefhängenden Ästen, als er zur nächsten Attacke ansetzte. Verletzt und abgekämpft, wie Romeo war, konnte er keine Überlegungen anstellen, auf welche Art und Weise er sich am besten zur Wehr setzen sollte. Ihm blieb also nichts anderes übrig, als seine letzten Kräfte zu mobilisieren, um den nächsten Angriff zu parieren.
    Er hatte das Gefühl, die Zeit bliebe stehen, als der wütende Vampir in der Luft auf ihn zuraste. Romeo atmete stoßartig aus, ehe er sich in allerletzter Sekunde unter den Beinen des Angreifers wegduckte.
    Als Graf Paris über ihn hinwegschoss und mitten in der Luft kehrtmachte, rannte Romeo auf den Baum zu. Er knickte einen dünnen Ast ab und brach ihn auf dem Knie in zwei Teile, während der Vampir beschleunigte. Romeo riss den Teil mit der schärferen Abbruchkante hoch und richtete ihn auf den heranrasenden Vampir. Graf Paris war so schnell, dass er den pfeilscharfen Ast in Romeos Hand nicht sehen konnte. Mit voller Geschwindigkeit raste er auf Romeo zu - direkt in die Astspitze, die ihm Brust und Herz durchbohrte.
    Der Graf stürzte zu Boden. Erleichtert sah Romeo, wie das Leben langsam aus dem Vampir wich und der Glanz seiner roten Augen stumpf wurde. Doch dann bäumte sich Graf Paris plötzlich noch einmal auf. Er sprang auf Romeo zu, umklammerte dessen Hals und drückte fest zu.
    "M-m-mit dir bin ich n-n-noch n-n-nicht fertig", stammelte er und verstärkte den Druck seiner Finger. Dabei bebten seine Arme so stark, dass Romeo heftig durchgeschüttelt wurde.
    Offenbar hatte der Graf nicht übertrieben, als er mit seinen Kräften geprahlt hatte. Tatsächlich war er einer der stärksten Vampire in ganz Transsilvanien, wenn nicht gar der stärkste. Als Romeo verzweifelt nach Luft rang, wurde ihm unvermittelt klar, dass er noch eine Chance hatte, den Vampir zu besiegen. Er erinnerte sich nämlich an die zwei Fläschchen in seinen Hosentaschen - das eine mit Gift, das andere mit Weihwasser.
    Während er fieberhaft die kleinen Flaschen in seinen beiden Hosentaschen zu ergreifen versuchte, bekam er immer weniger Luft. Graf Paris legte all seine schwindende Kraft in den Würgegriff um Romeos Hals und schüttelte den jungen Mann weiter hin und her. Als Romeo die Fläschchen zu packen bekam, glitten sie ihm sogleich wieder aus den Fingern; aber schließlich bekam er das in seiner rechten Tasche zu fassen. Er konnte sich zwar nicht mehr erinnern, welches es war, aber er würde es herausfinden, sobald er das Gesicht des Vampirs damit besprenkelte.
    Pfeifend und keuchend zog Romeo den Korken aus dem Flaschenhals und schüttete den kompletten Inhalt auf Kopf und Körper des Vampirs. Der ließ sofort Romeos Hals los und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Dann krümmte er sich vor Schmerz und wälzte sich am Boden.
    Romeo schüttelte sich vor Ekel und Entsetzen, als er sah, wie Rauchschwaden aus der Haut des Vampirs aufstiegen und sein Fleisch bis auf die Knochen verbrannte. In weniger als einer Minute war nichts von ihm übrig als ein blutiger, verkohlter Kadaver.
    Romeo hatte gesiegt.
    Er rieb sich den schmerzenden Hals und schaute sich um. Irgendwo hier in der Nähe musste der Türkisring doch hingerollt sein! Schließlich fand er ihn im trockenen Gras. Romeo hob ihn auf, blies ein paar Krümel Erde fort und rieb ihn an seinem Umhang, bis er wieder glänzte.
    Der Geruch des Todes erfüllte die kühle Abendluft, als Romeo sich auf die Suche nach seiner Gemahlin machte.

 

    Nach der Trauerfeier hatte man Julia in ihrem Grab auf eine Marmorplatte gebettet, die Hände vor der Brust gefaltet.

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