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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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er mich in ein kleineres Zimmer, das er mit einem Schlüssel an seinem Schlüsselbund aufschloß. Ich fragte mich, wer sonst noch im Haus wohnte, da Tupra nicht wollte, daß man diesen Raum ohne seine Erlaubnis oder Begleitung betrat, vielleicht war es nur das Dienstpersonal. Er schaltete zwei Lampen ein. Es war eine Art Arbeitszimmer, das mich sofort an sein Büro im namenlosen Gebäude erinnerte, es war voller Bücher, die ebenso kostspielig waren wie die im Wohnzimmer, oder sie noch übertrafen – vielleicht seine bibliophilen Perlen; dagegen gab es kein Bild, nur die gerahmte Zeichnung vom Oberkörper eines Militärs mit leicht gekrümmtem Schnurrbart, vielleicht ein Idol von ihm aus dem MI 6 oder wie er früher hieß, auf den ersten Blick kam die Figur mir wie aus dem Ersten Weltkrieg vor oder spätestens aus den zwanziger Jahren; ich glaubte nicht, daß es ein Vorfahre war, ein Tupra, er trug eine britische Offiziersuniform, ich konnte den Dienstgrad nicht erkennen. Es gab einen Tisch und darauf einen Computer; hinter dem Tisch einen Sessel mit kleinen Rädern, hier schloß sich Reresby wohl ein, um zu Hause zu arbeiten; zwei Puffs. Mit einem Fuß schob er sie vor ein niedriges Schränkchen, dessen hölzerne Türen er aufmachte, so daß ein Fernseher zum Vorschein kam, er war in absurder Weise getarnt, wie die Minikühlschränke in einigen eleganten Hotels, die sich schämen, welche zu haben. Er wies mich an, mich auf einen der Puffs zu setzen, und das tat ich. Er ging um den Tisch herum und holte aus einer Schublade, die er ebenfalls mit einem Schlüssel öffnete, eine DVD , nachdem er ein paar Sekunden gestöbert hatte, also bewahrte er dort wohl einige auf oder mehr als eine und mehr als zwei. Er stellte den Fernseher und den DVD -Spieler an, der darunter stand, und legte die DVD ein. Dann setzte er sich auf den anderen Puff, zu meiner Linken, fast auf meiner Höhe, aber ein wenig hinter mir, leicht in meinem Rücken, beide sehr nah an dem noch blauen Bildschirm, ich etwas näher, er nahm die Fernbedienung, ich mußte aus dem Augenwinkel schauen, um ihn sehen zu können, und den Hals verdrehen, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen. Jeder hielt sein Glas in der Hand, er tat alles nur mit der einen freien Hand oder mit dem Fuß, wie schon erwähnt.
    »Na, was werden wir sehen, was wirst du mir zeigen?« fragte ich mit einer Mischung aus Ungeduld und Ungeniertheit. »Es wird doch kein Film sein, oder? Zu dieser späten Stunde.«
    Ich empfand noch keine Furcht, daran hinderten mich die Gereiztheit und die Müdigkeit, es schien mir unwahrscheinlich, daß mir irgend etwas den Schlaf rauben könnte. Außerdem hatte ich an jenem Abend schon ziemlich viele unangenehme und kaum lehrreiche Dinge gesehen, und nicht auf einem Video, sondern in der Wirklichkeit, die man greifen und atmen konnte, an meiner Seite, noch immer trug ich in mir, wenn auch gedämpft, den Schrecken des Schwertes, das über dem Hals des Trottels niederging, und in meinem Kopf klangen noch die unnützen Gedanken, die mich überfallen hatten: ›Er wird ihn umbringen, nein, das kann nicht sein, das wird er nicht tun, doch, er wird ihn an Ort und Stelle enthaupten, ihm den Kopf vom Rumpf trennen, dieser von Zorn erfüllte Mann, und ich kann es nicht mehr verhindern, denn die Klinge wird herabfahren und ist zweischneidig, sie ist wie ein Blitz ohne Donner, der stumm in Stücke spaltet, und wird in jedem Fall schneiden.‹ Ich glaubte nicht, daß ich jetzt etwas Schlimmeres sehen konnte, und was immer Tupra mir vor Augen führen würde, wäre außerdem schon vergangen, etwas schon Geschehenes, Endgültiges, Gefilmtes, bei dem mein Eingreifen nicht zählen würde. Es wäre unabänderlich, und jeder Anblick würde sich genau gleich wiederholen. Aber ich hätte sie in dem Augenblick empfinden müssen, die Furcht, die Besorgnis, die Befangenheit, den Schrecken, als Tupras Stimme betrüblicher geworden war als üblich und in mir eine Anwandlung grund- und sinnloser Beklemmung ausgelöst hatte, wie bei einer traurigen Musik, ohne objektiven Anlaß – ja, Cello oder Geige oder Viola da Gamba, es sind nur Töne, oder bisweilen ein Klavier –, als hätte er sich schon in rückwirkende Katastrophen hineinbegeben, die sich jedoch unzählige Male reproduzieren und vergegenwärtigen lassen, da sie aufgenommen oder aufgezeichnet sind, und ich hatte von ihnen keine Kenntnis noch auch nur die geringste Ahnung.
    »Was du jetzt sehen wirst, ist geheim. Sprich nie

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