Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
mir anzubieten, ich zeigte ihm mein Feuerzeug zum Beweis, daß ich Feuer hatte, ich zündete die Zigarette an. Die Art, wie er mir dann seine Frage stellte, brachte mich auf den Gedanken, daß es ihn aus irgendeinem Grund drängte, sie mir zu stellen, oder daß sie ihm schon seit einer Weile auf der Zunge brannte, es war kein bloßer Zeitvertreib und gehörte auch nicht zum zufälligen Hin und Her eines Gesprächs, zu den nachträglichen Kommentaren, die sich immer am Ende eines Abendessens oder eines Festes ergeben oder aufzwingen, wenn alle gegangen sind oder man selbst mit jemandem gegangen ist. Tupra und der dicke Richter und Beryl sprachen vielleicht über uns, schon in der Nähe von London, oder über die Fahys und die Witwe Wadman. De la Garza und der Bürgermeister von Thame oder Bicester oder von wo auch immer waren womöglich dabei, die spröden Schlampen durchzuhecheln zum Leidwesen der Bürgermeisterin, wenn sie noch nicht alle in der Kurve das Leben gelassen hatten und wenn ersterer imstande war, sich zwei Worte nacheinander auf englisch verständlich zu machen (in jedem Fall konnte er auf die Gestik zurückgreifen und nebenbei das Steuer loslassen, so gab es mehr chances ). Und selbst Frau Berry war vermutlich dabei, in ihrem Bett mit sich selbst Rückschau zu halten, ohne einschlafen zu können, auch sie hatte Gäste empfangen und war dienende Gastgeberin gewesen, sie wollte ebenfalls nicht, daß ihr langer Abend ganz zu Ende ginge. »Sag mal, wie hast du Beryl gefunden? Wie hat sie auf dich gewirkt? Was für einen Eindruck hat sie auf dich gemacht?«
»Beryl?« antwortete ich etwas desorientiert, ich hatte mir nicht vorgestellt, daß er mich nach ihr fragen würde, eher nach seinem angekündigten Freund Bertram, wenn er denn wirklich ein Freund war. »Na ja, wir haben kaum miteinander gesprochen, sie scheint fast alle nur sehr flüchtig zu beachten, man konnte nicht sehen, daß sie sich besonders amüsiert hätte, so als wäre sie nur aus Pflicht da. Aber sehr gute Beine, das weiß sie und nützt es aus. Im Gesicht zu viele Zähne und zu großer Unterkiefer, aber trotzdem ziemlich hübsch. Ihr Geruch ist das Anziehendste an ihr und ihr bester Trumpf: ein seltener, angenehmer, sehr sexueller Geruch.«
Wheeler warf mir einen Blick zu, der eine Mischung aus Tadel und Spott war, seine Augen waren jedenfalls amüsiert. Er drohte ein wenig mit seinem Stock, ohne ihn hochzurecken, es genügte ihm, ihn am Griff zu fassen. Manchmal behandelte er mich wie einen Studenten, ich war es nie gewesen, in gewissem Sinne war ich es. Ich war ein Schüler, ein Lehrling seiner Sichtweise und seines Stils, wie ich es auch seinerzeit bei Toby gewesen war. Aber mit Wheeler scherzte ich mehr. Oder auch nicht, und es ist nur so, daß das, was zurückweicht und nur noch in Erinnerungen zurückkehrt, sich abschwächt und weniger zu sein scheint, ich hatte mit beiden gescherzt, wie auch mit Cromer-Blake, einem anderen Kollegen aus meiner Zeit in Oxford, eher in meinem Alter und von herausragender Intelligenz, und doch hatte er es nicht sehr weit gebracht, an Aids gestorben vier Monate nach dem Ende meines Aufenthalts und meines Fortgangs, ohne daß jemand von der Oxforder Zunft damals (und später auch kaum, klatschsüchtig bei trivialen, diskret bei ernsten Dingen) gesagt hätte, daß er an dieser Krankheit litt. Ich sah ihn krank und wieder erholt und noch kränker, ohne ihn jemals nach der Ursache zu fragen. Und ich hatte auch immer viel mit Luisa gescherzt, vielleicht ist das meine hauptsächliche, enttäuschende Art, Zuneigung zu zeigen. Die Probleme entstehen, wenn es mehr als Zuneigung gibt, so glaube ich.
»Da siehst du, ich hab es dir gesagt, du bist sehr allein da in London. Ehrlich gesagt, das hatte ich nicht gemeint. Ehrlich gesagt: ich hätte es nie gewagt, mich auch nur zu fragen, ob Beryls tierische Ausdünstungen dich stimuliert haben oder nicht, du wirst meine fehlende Neugier verzeihen, was diese Art Anwandlungen von dir betrifft. Ich meinte, in bezug auf Tupra, was für einen Eindruck hat sie im Verhältnis zu ihm, in ihrer gegenwärtigen Beziehung mit ihm, auf dich gemacht. Das interessiert mich, nicht, ob ihre« – er hielt einen Moment inne – »Sekrete dich erregt haben. Ich weiß nicht, für wen du mich hältst.«
Und nachdem er das gesagt hatte, streckte er einen Arm aus und wies mit dem Zeigefinger auf irgendeinen ungenauen Ort des Wohnzimmers, zweifellos, um mir zu sagen, ich solle ihm etwas
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