Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
Schlamassel hineinziehen. Es sei denn, es bliebe keine Leiche zurück, weil wir sie mitnehmen würden. Aber wie.
»Are you mad or what? Don’t do it!« Dieses Mal blieb mir Zeit, etwas mehr zu sagen, nicht viel, zu sagen, »Bist du verrückt geworden? Tu das nicht!«, die Art überflüssiger, wirkungsloser, armseliger Sätze, die uns über die Lippen kommen im Angesicht unerwarteter Brutalität, ein bloßer mündlicher Kontrapunkt zu dem, was auf jeden sprachlichen Ausdruck verzichtet und nur gewalttätiges Handeln ist, Erstechen, Prügeln, Tötung, Mord oder Selbstmord, es sind abergläubische Sätze, sie sind wie Ausrufe, mir entfuhren diese, obwohl ich an Tupra nicht das geringste Anzeichen von Wahnsinn feststellte, er wußte genau, was er tat und was er nicht tat, in seiner Haltung sah ich keinen Zorn, nicht einmal Empörung, allenfalls Verdruß, Ungeduld, Widerwillen, ohne Zweifel aufgeschobenen Tadel: letzteres betraf auch mich zum Teil, das war sicher, ich war an jenem Abend das Bindeglied zu De la Garza gewesen; mir hatte Wheeler ihn aufgehalst, aber das gehörte zu einem anderen Tag, und es kommt immer nur auf das Heutige an. Es handelte sich eher um die Anwendung einer abschreckenden Maßnahme oder die Eintreibung einer Schuld, eine Strafe, die er gleichmütig mit diesem unpassenden Schwert vollzog oder vollziehen würde, ich wußte noch immer nicht, woher es gekommen war und warum er sich einer Waffe bediente, die so ungebräuchlich und wenig praktisch war – sie nimmt viel Platz ein, fast ein Hemmnis –, so verwirrend in unseren Tagen. Ersteres erfuhr ich sogleich; letzteres erst später, als wir schon draußen waren.
Er hob das Landsknechtsschwert, weg vom Nacken, den es leicht berührt hatte, dies war ein schlechter und ein guter Augenblick, er konnte das Vorspiel des letzten, des tödlichen Niederfahrens sein, das neue Ausholen für den bereits angedrohten Hieb, die angedrohte Enthauptung, oder aber Verzicht bedeuten, Rückzug und Aufhebung des Schreckens, die Entscheidung, keinen Gebrauch zu machen und bis auf weiteres jeden Kopf an seinem Rumpf zu lassen. Er stützte es flach auf seine rechte Schulter, wie das Gewehr eines Wachpostens oder eines defilierenden Soldaten. Es war eine Geste des Abwägens, des Nachdenkens. Er blickte senkrecht nach unten, auf den knienden De la Garza, der sich nicht rührte, abgesehen von einem unfreiwilligen, unangenehmen Zittern, das ihn ab und zu wie ein Krampf durchlief, bestimmt hielt er den Atem an bei rasendem Herzen, sicher wollte er nichts tun, um die Waagschale zu neigen, nichts sagen, nicht schauen, nicht existieren, wie jene Insekten, die angesichts der Gefahr erstarren und glauben, sie könnten aus dem Blick- und sogar dem Geruchsfeld verschwinden, die jäh die Farbe wechseln und mit dem Stein oder dem Blatt verschwimmen, auf denen der Feind sie überrascht hat. Dann ließ Tupra die linke Hand sinken, faßte De la Garzas Haarnetz und zog heftig daran, ein Pech, daß er es angelegt hatte. Dieser merkte das Ziehen und drückte die Augen noch fester zu, als wollte er sie herauspressen, und zog noch mehr den Hals ein, aber er hatte keinen Panzer, er konnte ihn nicht verstecken.
»Was soll ich nicht tun, Jack?« Das sagte Reresby zu mir, ohne mich anzusehen, er sah noch immer die Gestalt zu seinen Füßen an, ihm ausgeliefert, kniend vor einem Klobecken. »Wer hat dir gesagt, was ich tun oder nicht tun werde? Ich habe es dir nicht angekündigt, Jack. Sag mir, was genau soll ich nicht tun?« Und dann hob er tatsächlich die Augen. Er schaute mich gerade an, wie er alles anzuschauen pflegte, mit scharfgestelltem Blick und in der richtigen Höhe, welche die des Menschen ist. Und dann ließ er das Schwert niederfahren.
E r schnitt ihm das Haarnetz mit einem Hieb ab, dafür hätte eine Rasierklinge, eine Schere, ein Schweizer Messer genügt, eine geringere Schneide als sie ein Stierkämpfer benötigt, um sich bei seinem Rückzug aus der Arena den Nackenschopf abzuschneiden, obwohl es langsamer gewesen wäre und weder den Bedrohten noch den Zeugen beeindruckt und auch nicht geklungen hätte, wie der Hieb geklungen hatte, nicht wie vorher, wie eine Peitsche oder Reitgerte in der Luft, sondern wie ein leichter flacher Schlag ins Gesicht oder ein schwaches, helles Klatschen oder sogar ein auf den Fliesenboden gespuckter Auswurf, jedenfalls war es so deutlich hörbar, daß De la Garza automatisch die Hände an die Ohren hob in einer weiteren Geste imaginären
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