Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
Schutzes, er dachte vermutlich nicht, daß er, wenn er diese Geste machen konnte, am Leben war, bestimmt brauchte er ein wenig länger, um sich zu sagen, daß er auch die dritte Annäherung, Phase oder Runde der schrecklichen Klinge überlebt hatte, daß diese ihm keinen Körperteil abgetrennt noch aufgeschlitzt hatte, oder vielleicht traute er der Sache nicht – und er tat recht daran, wenn es so war – und erwartete noch den nächsten Hieb und einen weiteren und noch einen dieser Waffe, die man behält und nicht wirft; natürlich wartete ich auf den zweiten einige Sekunden, weniger als er, denn ich sah, was er noch nicht sah: die winzige Zeitspanne, die Tupra brauchte, um einige Schritte zurückzutreten, die Hand frei zu haben und wieder vorzutreten, De la Garza rührte sich nicht, noch immer erstarrt, wie eine seltsame flehende, verängstigte oder eher besiegte, opferbereite, von Entsetzen erfüllte Statue mit geschlossenen Augen und verdeckten Ohren, und so erinnerte er mich an Peter Wheeler – aber nur darin –, als dieser sich in der gleichen Weise gegen das Getöse und den aufgewirbelten Wind des Hubschraubers geschützt hatte, der ihm ein Sikorsky H-15 zu sein schien, an jenem Sonntagmorgen in seinem Garten am Fluß, dem Tag, an dem er mir mehr von Tupra erzählt hatte und von dessen namenloser Gruppe, der er angehört hatte und der ich jetzt angehörte, aufgrund dieser stillschweigenden Zugehörigkeit befand ich mich in jener Nacht an jenem Ort, in der hellen, sauberen Toilette, und war Teil des Schreckens eines Menschen.
Der, der in dieser Nacht Reresby war, trat zurück, in der einen Hand sein Schwert, in der anderen das Haarnetz wie eine magere Trophäe, sehr viel weniger als eine Haarmähne, bloß ein verschwitzter Fetzen; er verließ das Kabinett, wobei er mir zuzwinkerte – es war jedoch kein beruhigendes Zwinkern, für mich war es, als würde er ankündigen: »Soweit der Auftakt« –, und ging auf seinen Mantel zu, der nicht mehr so starr war in seinem Fall, und daraus schloß ich, daß er im Futter des rückwärtigen Teils eine sehr lange Innentasche hatte und darin eine Scheide, denn dort hinein schob er sein Landsknechtsschwert, und es klang metallisch, als es hineinglitt, wenn es kein Futteral gegeben hätte, dann hätte die Spitze das untere Ende dieser schmalen, überlangen Tasche zerrissen, siebzig Zentimeter zumindest für die Klinge des »Katzbalgers«, und wahrscheinlich schaute der Griff hervor, damit es sich leichter herausziehen ließ, ich konnte es nicht deutlich sehen, aber ein anderer Schluß war schlechterdings nicht möglich. Ich atmete tief auf – oder es war mehr als das –, als ich diese tödliche Waffe verschwinden sah, vorläufig. Daß er sie in die Scheide gesteckt hatte, bedeutete nicht unbedingt, daß er sie nicht erneut hervorholen würde – sie war noch immer griffbereit –, und konnte eine für Tupra sehr typische Vorsichtsmaßnahme sein, eine Waffe nicht einfach so in Reichweite des Feindes zu lassen, ein unangemessenes Wort, der arme närrische Attaché kämpfte nicht, er leistete nicht einmal Widerstand; aber wenn Reresby sich darauf beschränkt hätte, das Schwert quer über den Spülkasten zu legen oder es auf dem Boden zu deponieren, hätte ihm niemand garantieren können, daß De la Garza sich nicht in einem Anfall von Verzweiflung und Panik daraufgestürzt und es ergriffen hätte, und was dann, das Glück hat sich gewendet, zwei Schneiden, leicht zu handhaben, nicht sehr schwer, immer lauert Gefahr im bedeutungslosesten und schwächsten Wesen, im feigsten und im besiegtesten, keines darf man je unterschätzen oder ihm die Gelegenheit geben, sich zu erholen und die Oberhand zu gewinnen, seine Schwäche in Stärke zu verwandeln oder selbstmörderischen Mut zu fassen, das war eine Lehre Tupras, und deshalb verstand er einmal sehr gut den spanischen Ausdruck – er gefiel ihm, er notierte ihn sich im Geist –, der so viel über uns sagt und den ich ihm entdeckte und übersetzte: »Lieber ein Auge verlieren, als dem anderen beide zu lassen«, er fürchtete diese Haltung wie die Pest. Dankenswerterweise kam er nicht auf die Idee, mich zu bitten, den »Katzenschlitzer« zu halten, es hätte mir nicht gefallen, ihn in meiner Hand zu sehen, das heißt, ihn zu packen, obwohl ich ihn natürlich genommen und gereckt hätte, da wir schon einmal dabei waren. Oder vielleicht traute er auch nicht dem Gebrauch, den ich von ihm machen könnte, vielleicht
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