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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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eignet, ich gebe es zu‹, sagte er. Und Antigüedad war sofort beschwichtigt. Er klopfte ihm väterlich auf die Schulter und antwortete: ›Ist schon gut, Mann. Also, wir sehen uns ein andermal, in Ruhe. Auf Wiedersehen, meine Herren.‹ Er verabschiedete sich von den anderen als Gruppe, ohne jedem die Hand zu geben, er trat zu mir, als gerade der Kellner auf mich zukam, der uns bedient hatte. ›Laß schon, Deza, es war meine Einladung‹, und er riß ihm die Rechnung aus der Hand, bevor er sie mir überreichen konnte. Ich war schon dabei, angstvoll das Geld auf der Hand zu zählen, ich fürchtete, es würde nicht reichen. Wir gingen zusammen hinaus, er drehte sich an der Tür noch einmal um und winkte den vieren zum Abschied zu. Auf der Straße dann entschuldigte er sich bei mir, obwohl er überhaupt keine Schuld hatte. ›Du liebe Güte, du weißt nicht, wie leid mir das tut, Deza, ich hatte nicht die geringste Ahnung‹, sagte er. ›Du hattest Kontakt mit Marés, nicht wahr? Ich kannte ihn nur vom Sehen.‹ Er war unter den Siegern einer der wenigen, die sich bemühten, die Wogen zu glätten, einer der wenigen, die nicht unbarmherzig den Anweisungen Francos folgten, die Besiegten ständig zu schikanieren und hartnäckig zu bestrafen. Und du weißt nicht, wie froh ich war, daß ich mich zu Lebzeiten mit einer nicht unerheblichen Gefälligkeit revanchieren konnte: in den achtziger Jahren konnte ich verhindern, daß er wegen einer Geschichte ins Gefängnis kam, die mit Buchhaltung und diversen Firmen zu tun hatte, wegen einem illegalen Transfer von Geldern, na ja, das tut nichts zur Sache. Ich hätte es natürlich lieber gesehen, wenn er nicht in Bedrängnis geraten wäre, aber für mich war es ein Segen, daß ich in der Lage war, ihm einen Rettungsring zuzuwerfen und ihn da rauszuziehen. Wenn dir jemand in sehr schlechten Zeiten hilft, ohne Grund oder fast (ihr habt sie nicht kennengelernt, sehr schlechte Zeiten), dann vergißt man das niemals. Wenn man ein anständiger Mensch ist natürlich und diese Hilfe nicht als eine Art Erniedrigung der eigenen Person oder als Beleidigung mit Zeugen auffaßt.«
    Mir kam der Gedanke, daß er bei diesem letzten Satz an Del Real gedacht hatte, den verräterischen Freund, dessen kommendes Gesicht, das des Jahres 39, er in all den übrigen dreißiger Jahren nicht vorherzusehen verstanden hatte.
    »Und bist du irgendwann später mit dem Schriftsteller zusammengetroffen, in Person?« fragte ich.
    »Sehr viel später, mehr als dreißig oder an die vierzig Jahre später, bei zwei öffentlichen Veranstaltungen, zu denen wir beide eingeladen waren. Das erste Mal war er mit seiner Frau da, also gab ich ihm die Hand, damit sie nicht litt oder beunruhigt war, und wir drei redeten miteinander, nichts, ein paar förmliche Sätze. Beim zweiten Mal kam er allein, oder vielmehr mit einem seiner üblichen Gefolge, dieser Mann tat keinen Schritt ohne Begleitung. Er sah mich und mied mich und mied meinen Blick. Nicht, daß ich ihn suchte, Gott bewahre. Aber für alle Fälle. Das merkt man. Er wußte immer, wer ich war. Ich meine, nicht nur, womit ich mich beschäftigte oder daß ich mit seiner Frau eine höfliche Beziehung unterhielt, die von großer gegenseitiger Wertschätzung geprägt war. Er hatte sich schon an jenem Vormittag, im Café, meinen Namen gemerkt, und seitdem war ihm gegenwärtig, daß ich seine Geschichte gehört hatte. Er muß unzählige Male bereut haben, daß ihm in seiner Selbstgefälligkeit während dieses Aperitifs die Zunge durchgegangen war. Deshalb glaube ich, daß es das letzte Mal war, daß er sie anderen offenbart hatte. Seine widerwärtige Beteiligung an dem Stierkampf. Vor allem die Reaktion von Antigüedad muß ihm als Warnung gedient haben. Und das Schweigen, das eingetreten war. Es wird dich also nicht wundern, daß ich es eurer Mutter nicht erzählt habe, obwohl ich es gern getan hätte, vor allem, um die Niedergeschlagenheit zu teilen, mit der ich an jenem Tag nach Hause zurückkehrte, ich sagte es schon, wo ich doch in Wirklichkeit zwei Übersetzungsaufträge bekommen hatte. Sie hatte an der Universität ebenfalls Kontakt zu Marés gehabt und brachte ihm große Sympathie entgegen, wie fast alle, er war einer dieser Menschen, die Licht in ein Treffen bringen und es optimistischer und verbindlicher machen. Warum sollte ich ihren Kummer mehren, warum sie mit etwas Neuem erschrecken, das nicht zu ändern war und für das es keine Linderung und natürlich keine

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