Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
einen dieser Männer aufzuheitern und mit ihrem Anblick zu erfreuen, die trübsinnig oder sogar mürrisch werden, wenn es an einem Tisch oder auf einer Tanzfläche keine weibliche Präsenz gibt (ich meine eine Präsenz, vor der sie sich spreizen können, nachdem sie ihre Bekanntschaft gemacht und ihr das Du oder sein englisches Gegenstück angeboten haben).
    Einmal mußte ich einer italienischen Dame zu Diensten sein und schmeicheln, die dabei war, sich äußerst umständlich und mit viel Getue und einer Unmenge kleinerer Launen von ihrer Jugend zu verabschieden, und wenn sie außerdem größere hatte, so war es zum Glück nicht meine Aufgabe, sie zu ertragen oder ihr zu verweigern oder zu befriedigen. Sie war die Frau eines Landsmannes (von ihr) namens Manoia, mit dem Tupra über Politik und Finanzen sprach, soweit ich verstehen konnte, was sie einander sagten. Tatsächlich war meine Neugier so gering, daß es mir fast nie gelang, mich für die Dinge zu interessieren, die mein vorübergehender Chef im Schilde führte; daher schenkte ich ihnen motuproprio keine Aufmerksamkeit und entdeckte sogar oft, wenn er sie von mir forderte, daß seine möglichen Intrigen, Aufträge, Erkundungen oder Tauschhändel mir völlig gleichgültig waren. Vielleicht lag es auch daran, daß ich niemals genau unterrichtet war, und es ist schwer, sich auf etwas einzulassen, das zu fragmentarisch und verschwommen und unserem Einfluß entzogen ist. (Ich bemerkte, daß dagegen die junge Pérez Nuix die Vorgänge mitsamt ihren Mäandern sehr viel stärker verfolgte und sich darum bemühte; Mulryan blieb nichts anderes übrig, als es zu tun, er war es, der – nach meinem Eindruck, wie soll ich sagen – die Agenda, die Bilanz, die Bestandsaufnahme des Ungeklärten, des noch nicht Beherrschten oder Abgeschlossenen führte; was Rendel betraf, so war es riskant, sich zu äußern, er neigte dazu, lange Zeit schweigend zu verharren, aber sobald er trank oder womöglich rauchte – der Geruch nach meinem Tabak war nicht der einzige in unserem Büro –, verstieg er sich zu langen Tiraden und reihte einen Witz an den anderen, nicht ohne laut über sie zu lachen, um dann wieder zu verstummen, wobei zu beiden Phasen der Nimbus einer Art verdrießlicher Qualm- oder Kumuluswolke gehörte.) Wenn ich an jenem Abend etwas mitbekam, dann deshalb, weil das von dem italienischen Ehemann gesprochene Englisch vernuschelter war als er dachte, und Tupra mich in Anspruch nahm (eine rasche Bewegung mit zwei Fingern oder seine Augenbrauen wie Rußflecken, die um Hilfe baten), damit ich ihm weiterhalf und ein paar Sätze oder irgendein entscheidendes Wort übersetzte, wenn beide sich nicht mehr zurechtfanden und ernsthaft Gefahr liefen, das Gegenteil dessen zu verstehen, was sie einander vorschlugen oder gewährten oder worin sie nachgaben.
    Der Nachname Manoia kam mir süditalienisch vor, das war eher Intuition als Wissen, ebenso wie die italienische Aussprache des Individuums (er verwandelte stimmlose in stimmhafte Konsonanten, so daß man statt »ho capito« in Wirklichkeit »ho gabido« aus seinem Mund hörte), aber sein Aussehen war eher das eines römischen – ich meine vatikanischen – als sizilianischen oder kalabresischen oder neapolitanischen Mafioso. Ständig schob er die große Brille vom Typ Vergewaltiger oder eifriger Beamter oder beidem, was sich nicht ausschließt, mit dem Daumen hoch, obwohl sie ihm nicht herunterrutschte; sein Blick war so gut wie unsichtbar aufgrund der starken Reflexe und der ständigen Bewegung seiner glanzlosen Augen (Milchkaffee, ihre annähernde Farbe), als hätte er Schwierigkeiten, sie länger als ein paar Sekunden auf einen Punkt zu richten, oder Abneigung dagegen, daß man sie ausforschte. Er sprach mit leiser, aber zweifellos kräftiger Stimme, sie wäre schneidend, wenn er sie erhöbe, und vielleicht schwächte er sie deshalb ab, eine Hand auf der anderen, aber ohne die Ellbogen auf den Tisch zu stützen, nicht einmal einen, das heißt, er hielt sie in der Luft, was nach einigen Minuten zwangsläufig unbequem war, oder womöglich handelte es sich um eine kleine freiwillige Kasteiung zur ständigen Mahnung, die eines tiefgläubigen oder tiefschwarzen Katholiken vom finstersten Flügel und von der Legion Christi. Er wirkte auf den ersten Blick sanftmütig und nichtssagend; dem widersprach allerdings ein zu langer (wenn auch nicht vorspringender) Unterkiefer, der ihn mit Sicherheit dazu gebracht haben dürfte,

Weitere Kostenlose Bücher