Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
Gespräch für beendet erklären. Es kam immer ein Augenblick, in dem seine Abweichungen nicht in einen Weg, sondern nur in Unterholz oder Sand oder Sumpf mündeten. Und dann konnte er sogar den Zeigefinger an die Lippen heben und danach mit ihm auf die Sängerin deuten in einer Geste wortlosen Vorwurfs für mein Geschwätz, so als erbäte er für ihre Kunst den Respekt, den er ihr Minuten zuvor durch seine zuerst gesprochenen Worte verweigert hatte, obwohl es ein Murmeln gewesen war und er kein Auge von ihr gelassen hatte.
    Zu Beginn jeder sozialen Phase (sie dauerten zwei oder drei Wochen) rief er uns unter dem Vorwand der Arbeit zu Abendessen oder abendlichen Kneipenbummeln zusammen. »Ich möchte, daß ihr mich alle zu einem wichtigen Treffen begleitet«, sagte oder befahl er uns in seiner halbautoritären Art. »Mir liegt daran, daß wir gegenüber gewissen Leuten, mit denen ich mich verständigen muß, wie ein harter Kern, fast einschüchternd wirken, versteht ihr?« »Ich bitte euch, auf die heutigen Tischgäste zu achten, tut alles, damit sie sich wohl fühlen und sich unterhalten, aber hört nicht auf, sie zu beobachten, ich werde euch später über sie befragen, es wird um so besser für uns sein, je mehr Meinungen ich habe.« Sehr viel mehr erklärte er gewöhnlich nicht, auch nicht, worin das Interesse oder die Angelegenheit bestand oder wer genau die Personen waren, mit denen er uns zusammenbrachte, zumeist Briten mit einzelnen Ausländern dann und wann oder so selten nicht, wenn ich die Amerikaner dazuzähle und es mir noch einmal überlege. Bisweilen war jedoch deutlich, um was oder wen es sich handelte, sei es durch den Verlauf der Gespräche, sei es, weil es berühmte Personen waren, so berühmt wie Dick Dearlove oder fast. Tupra hatte unglaublich vielfältige Beziehungen für einen einzelnen Menschen, wenn er es denn wirklich war, denn ich hörte, wie er je nach Örtlichkeit, Begleitung und Umständen mit verschiedenen Namen oder eher Nachnamen angesprochen wurde. Als der maître eines guten Restaurants ihn vor mir zum ersten Mal als »Mr. Dundas« ansprach, beschloß Tupra angesichts meiner Überraschung, die verräterisch sein konnte, uns oder mich jedesmal vorab zu informieren, wenn er nicht ganz er selbst sein würde. »Hier bin ich Mr. Dundas«, teilte er uns mit. »Heute bin ich Mr. Reresby, merkt es euch.« »Hier, in diesem Bereich, kennt man mich mehr als Mr. Ure.« Letzteres mußte ich ihn bitten, zu buchstabieren, bei seiner Aussprache war ich außerstande, es zu erfassen, das heißt, es mir geschrieben vorzustellen, aus seinem Mund klang es wie »Iuah«, unmöglich für mich, die Schreibweise zu erraten. Es waren alles auffällige, eher altmodische, seltsame Namen (vielleicht entfernt aristokratisch oder irgendwie schottisch in meinen Ohren), als sei Tupra, da er auf seinen verzichtete, nicht bereit, auch noch die Originalität des Namens aufzugeben, die ihn seit seiner Geburt begleitete, wenn denn jener finnische, russische, tschechische, türkische oder armenische Tupra in seinem Leben so alt war wie Wheeler glaubte. Sie mußte ihm äußerst unangenehm sein, die Vorstellung, auch nur kurze Zeit einen verwechselbaren oder gewöhnlichen Namen zu tragen, etwas, das die meisten grundsätzlich anstreben würden, wenn sie vorhätten, sich einen falschen Namen zuzulegen: ich weiß nicht, Gray, Green, Grant oder Graham, um die so abgenutzten Brown, Smith und Jones auszuschließen.
    Im allgemeinen erlaubte er, daß wir uns in Gesellschaft ungezwungen bewegten, und gab uns nur bei besonderen Anlässen genauere Anweisungen als die, uns eifrig umzusehen und schön aufmerksam zu bleiben, zum Beispiel den Auftrag, eine gewisse Sondierung oder Ausforschung vorzunehmen; aber dann pflegte er nicht uns alle vier oder mehr mitzunehmen, sondern nur diejenigen, die für die jeweilige Arbeit am geeignetsten waren, oder sogar nur einen, mich, Pérez Nuix, Mulryan oder Rendel, ich habe ihn einige Male allein begleitet, sogar zweimal auf Auslandsreisen, aber ich nehme an, dieses Los traf uns alle ab und zu. Allerdings konnte er uns bitten, zuvorkommend zu sein oder einer bestimmten Person zu schmeicheln oder fast den Hof zu machen, er stellte Rendel oder mich für derlei Süßholzgeraspel ab, wenn es Frauen waren, die Probleme in Form von Langeweile oder Klagen machten (ballastige Ehefrauen oder luftige Geliebte, bei ihnen war Mulryan nicht sehr erfolgreich), Pérez Nuix oder Jane Treves, wenn es galt,

Weitere Kostenlose Bücher