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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Tag ablegen müssen, wenn die Sache seines Krieges nicht gut ist.«
    So würden sich also all diese Toten mit Vorhaltungen, Anschuldigungen, Anklagen begegnen: »Du hast mich getötet, ohne daß ich dir etwas getan hätte.« »Ich starb durch deine Schuld und deiner leichtfertigen Worte wegen.« »Du hast mich geopfert, um einen anderen zu vernichten, der dein Feind war, du wußtest nicht einmal von meiner Existenz, aber es bedeutete dir nichts, sie auszuradieren, für dich war ich nur eine Zahl nach einem Bombardement oder nicht einmal das, eine bloße Einheit dieser Zahl, verzeichnet in euren fest verschlossenen geheimen Archiven.« »Ich starb durch eigene Hand, denn ich konnte nicht damit leben, mit den von mir verursachten Toden; glaubt mir, er kostete mich große Mühe und große Angst und unsägliche vorweggenommene Reue, der andere Schaden, den ich anrichtete, indem ich mich tötete; aber ich war nicht imstande, noch weitere Tage zu leben, so als wäre nichts geschehen und als wären die Toten nicht meine.« »Mir habt ihr einen Schuß verpaßt im Graben einer Straße, die ich nie gesehen hatte, obwohl sie nicht weit entfernt sein konnte, es dauerte nicht lange, bis wir sie erreicht hatten vom Verhörzentrum in der Calle Fomento, aus dem ihr mich in der Nacht herausholtet und in das ihr mich am Morgen gebracht hattet nach meiner Festnahme auf der Straße, weil ich Krawatte trug, so sagtet ihr, und einen Jugendausweis, der euch nicht gefiel, ›Das riecht ziemlich nach Falange‹, so sagtet ihr, ich hatte ihn mir in aller Eile ausstellen lassen, um meinen älteren Bruder nachzuahmen, der sich damals versteckt hielt, ich war siebzehn Jahre alt und wußte nicht einmal genau, was er bedeutete, ihr erlaubtet mir nicht, es herauszufinden oder jemals wieder zu meinen Bildergeschichten zurückzukehren, die mein ein und alles waren, von Politik verstand ich nichts«, würde mein Onkel Alfonso sagen, wenn er wieder den vergeßlichen Milizionären begegnen würde, die ihn umgebracht hatten: sie würden sich kaum an ihn erinnern und noch weniger an die Freundin, die ihn begleitete und das gleiche Schicksal erlitt, Schuß in die Schläfe oder vielleicht in den Nacken oder vielleicht ins Ohr. »Ihr habt euch grausam an mir vergangen, ich fühlte so gewaltige Schmerzen, wie ihr euch niemals vorstellen konntet in all den Jahren eures Lebens oder in denen eures Todes im endlosen Warten auf diesen letzten Tag, und im vollen Bewußtsein eurer absoluten Falschheit habt ihr falsche Anklage gegen mich erhoben und Namen von mir gefordert und das Geständnis nie begangenen Verrats, obwohl ihr wußtet, daß ich es nicht könnte«, würde Nin den zwei oder drei Männern sagen – allesamt ehemalige Genossen: sicher Orlow, vielleicht Bielow, vielleicht Contreras –, die ihn in Alcalá de Henares scharf verhört und gefoltert und ihm einer dunklen Quelle zufolge bei lebendigem Leib die Haut abgezogen hatten. »Ihr habt mit vergifteten Kugeln auf mich geschossen und sie außerdem nicht ausreichend mit Botulin bestrichen, damit sie mir einen raschen Tod bereiteten, mit diesem Giftstoff, der aus Amerika stammte und der mich sieben Tage lang zerfraß, ohne mir den Tod zu geben oder der Marter und der Wut ein Ende zu machen, hättet ihr besser gezielt, dann wäre es gar nicht nötig gewesen, seine Wirkung abzuwarten, und ich hätte mir die lange, ruhmlose Zeit meines Sterbens ersparen können«, würde der Nazi Heydrich zu den beiden tschechischen Widerstandskämpfern oder Studenten sagen, die ihn in Prag in seinem Wagen beschossen und Granaten auf ihn geworfen hatten, angeleitet und ausgerüstet durch den englischen Special Operations Executive, den SOE, dessen Chef Spooner das Attentat geplant hatte. »Ja, ihr habt ein ungeheuer schweres, leichtfertiges Verbrechen begangen, als ihr nicht genau zieltet und nicht dafür Sorge trugt, daß der Nazi sofort zerfetzt wurde, denn jede Nacht seines Todeskampfes ergriffen sie hundert von uns und erschossen uns, und er atmete noch eine ganze blutige Woche«, würden diesen Widerstandskämpfern und den Verantwortlichen des SOE die siebenhundert Geiseln sagen, die hingerichtet wurden, bis Heydrichs Durchhaltevermögen und sein Zorn schließlich dem trägen Gift erlagen. »Wir starben am 10. Juni 1942 in Lidice, ihr habt keine lebendige Seele im ganzen Dorf gelassen, alle habt ihr getötet ohne Unterschied von Alter oder Geschlecht, die Männer an Ort und Stelle, und die Frauen brachtet ihr in das

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