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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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müssen, sie mich oder ich sie, damit sie mir die erhaltene Information geben könnte. Uns blieb eine offene Frage, und das war jetzt neu.
    »Danke, du bist auch sehr glatt«, antwortete ich ihr mit nicht mehr Humor als Galanterie und fügte hinzu: »Nein, es ist die pure Neugier. Man hat mir hier davon erzählt, und ich würde gerne wissen, ob es die gleiche Substanz ist wie die, die seinerzeit einen wichtigen Naziführer getötet hat, 1942, Wheeler hat mir von dem Fall erzählt. Was für eine Wirkung hat es, weißt du das? Welchen Verlauf.«
    »Ich glaube, es lähmt die Muskeln des unterspritzten Bereichs und glättet ihn so und gibt ihm etwas Gespanntes, frag mich nicht, warum oder wie. Anscheinend sind diejenigen, die es sich spritzen, danach etwas ausdruckslos, obwohl ich das weder bei María noch bei Isabel gemerkt habe, von denen ich weiß, daß sie es ausprobiert haben. Es kann natürlich sein, daß ich sie nicht in der Zeit gesehen habe, als sie unter seiner Wirkung standen, ich glaube, sie dauert einige Monate, und sie erneuern sie nach einer Pause, die sie gern immer mehr abkürzen. Na ja, ein wenig starr fand ich sie schon, jetzt wird mir das klar, und irgendwie straffer, kompakter … Ich weiß nicht, dieser Wahn«, und das klang nachdenklicher, »es sind nicht mehr nur die reichen Leute, nicht nur Frauen, das sagte ich ja schon. Wir werden alle da enden. Du weißt nicht, was die Leute heutzutage anstellen, was sie sich reintun und rausnehmen, was sie sich spritzen und aufschlitzen, was sie sich antun. Dir würden die Haare zu Berge stehen, wenn du Einzelheiten kennen würdest. Aber du wirst schon sehen, wir werden alle da landen, und wer sich nicht dafür hergibt, den wird man sogar rügen: ›Wie kannst du nur so rumlaufen‹, wird man sagen, ›mit diesem schlaffen Fleisch und diesen Falten und diesen Tränensäcken; mit diesen Furchen oder mit diesem Fett oder diesen Wülsten, wie kannst du nur so ungepflegt sein.‹ Manche vergleichen es schon mit dem Besuch beim Zahnarzt. ›Lassen wir uns denn nicht einen unschönen schartigen Zahn richten und Kronen aufsetzen? Na, mit dem Rest ist es genauso.‹ Als wäre Altern ein Defekt oder ein geduldeter Mangel, eine Nachlässigkeit. Als könnte man wählen und wäre schuld daran. Oder aber arm, natürlich, ohne Mittel, um es zu verbergen. Alt aussehen wird am Ende genau das erkennen lassen, daß man ein Ausgestoßener ist, du wirst schon sehen. Das wird zu einer weiteren Trennung, einem weiteren Unterschied führen, als gäbe es nicht schon genug. So als würde man mit abgerissener Kleidung herumlaufen. Hoffentlich erleben wir das nicht mehr.«
    Und dann schwieg sie, so als würde sie auf einmal über ihren eigenen Fall nachdenken. Nie hatte ich an ihr die leiseste Anwandlung oder Versuchung in dieser Hinsicht bemerkt: sie hörte ihren Bekannten und Freundinnen zu, denen das Vergehen der Zeit größere Angst machte, sie lächelte nachsichtig über deren Extravaganzen und Experimente, sie waren ihr egal oder sie ließ sie gelten, wenn sie froh waren über ihr vermeintlich besseres Aussehen, auch wenn es noch so geliehen und falsch oder gekauft war; noch so monströs bisweilen. Das war nie ihre Sache gewesen. Aber Luisa war nicht mehr so jung, und sie hatte mir aus meinen fehlenden Falten – das lag in meiner Familie; ich konnte mich mit Tupra messen – nie einen vergleichenden Vorwurf gemacht, nicht einmal in dem scherzhaften Ton, in dem sie es jetzt getan hatte. ›Vielleicht macht sie sich allmählich Sorgen, durch das Beispiel oder den Einfluß der anderen‹, dachte ich. ›Sie hätte keine realen Gründe, nicht das letzte Mal, als ich sie sah; obwohl mein Urteil ihr wenig nützen würde, wenn sie Gründe erfunden hat (dagegen ist niemand gefeit) oder jemand sie ihr eingeträufelt hat (auch dagegen ist man nicht gefeit), sie denkt, ich schaue sie mit zu wohlwollenden Augen an.‹
    »Du denkst doch wohl nicht an solche Sachen?« fragte ich. »Du brauchst sie nun wirklich nicht.«
    Sie lachte auf und beendete so ihr kurzes grüblerisches Schweigen.
    »Wenn ich sie heute nicht brauche, dann morgen, nicht erst übermorgen«, sagte sie. »Aber ich könnte sie mir sowieso nicht erlauben, ich werde zu den Ausgestoßenen und Abgerissenen gehören.« Und sie lachte erneut, diese Worte hatten sie amüsiert. »Obwohl du uns viel Geld schickst, seit du diese Arbeit hast, über die du nichts erzählst«, fügte sie hinzu. »Ich möchte dir danken, Deza, jetzt

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