Dein goettliches Herz entflammt
fünfundzwanzig.«
»Oh… Mist.« Ich ließ meinen Rucksack fallen und zog den Reißverschluss der Außentasche auf, um zwei Dollar herauszuholen, als die Straßenbahn vor mir zum Stehen kam. Sebastian war schon halb die Stufen hinauf. Ich beeilte mich, ihm nachzukommen, zahlte und nahm dann auf einer Holzbank ihm gegenüber Platz.
Wir waren die einzigen Fahrgäste. Schweigend saßen wir da, bis Sebastian sich neben mich auf die Bank setzte. Überrascht rutschte ich näher zum Fenster hin.
»Willst du mir was über den Kerl erzählen, der versucht hat, dich zu töten?«, murmelte er, während er den Fahrer im Auge behielt.
Unsere Schultern berührten sich und ich versuchte, nicht allzu tief einzuatmen – Sebastian roch wirklich verdammt gut. »Eigentlich nicht.« Ich starrte aus dem Fenster.
»Glaubst du, er hat in New 2 gelebt?«
Ich runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Der Kerl hat sich benommen, als wäre er von einem anderen Planeten.« Ich drehte mich weg. »Jedenfalls kommt er aus einem anderen Land. Ich habe ihm zwei Kugeln verpasst, aber er hat kaum mit der Wimper gezuckt.« Die Bilder der letzten Nacht kamen in mir hoch. »Das Merkwürdige daran ist… meine Mutter hat es gewusst. Sie ist schon vor langer Zeit gestorben, aber aus irgendeinem Grund hat sie gewusst, dass mich jemand überfallen würde. Sie hat mir einen Brief hinterlassen und wie durch Zauberei tauchte dann plötzlich dieser Typ auf.«
»Und du hast ihn umgebracht«, stellte er fest. Sein ernster Blick verriet, wie wenig er mich darum beneidete.
»Ja, mit seinem Schwert. Ich habe ihn getötet. Jedenfalls glaube ich das.« Ich musste daran denken, wie sich mein Angreifer in Luft aufgelöst hatte. Genau genommen wusste ich gar nicht, was mit dem Typ passiert war. Vielleicht war er ja tatsächlich gestorben, aber vielleicht war er auch nur verschwunden, um seine Wunden zu lecken. Doch diesen Teil der Geschichte wollte ich Sebastian nicht erzählen. Ich war mir ja nicht einmal sicher, warum ich überhaupt mit ihm darüber sprach.
Die Straßenbahn schwankte leicht und ich wurde gegen Sebastian gedrückt. Meine Nase war nur noch ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Plötzlich wurde mein Mund trocken. In meinem Magen breitete sich eine angenehme Wärme aus. Mit einem Mal fühlte ich mich so sicher, so geborgen. Doch es war kein beruhigendes Gefühl. Ich war nervös und aufgeregt. Sebastians Blick wanderte über mein Gesicht und blieb an meinen Lippen hängen. An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. Ich hörte auf zu atmen.
Und dann blieb die Straßenbahn stehen. Ich konnte gerade noch verhindern, dass ich von der glatten Holzbank rutschte und auf meinem Hintern landete.
»Canal Street!«, rief der Fahrer.
Sebastian war schon aufgestanden und ging zum Ausgang.
Schnell richtete ich mich auf und verpasste mir in Gedanken eine kräftige Ohrfeige. Ich war aus einem ganz bestimmten Grund in dieser Stadt, und einen schwer melancholischen Typen anzuhimmeln, nur weil der zufällig zuckersüß war und unglaublich gut trommeln konnte, gehörte ganz bestimmt nicht zu den Dingen, die ich hier zu erledigen hatte. Falls er war wie ich und irgendwelche merkwürdigen Fähigkeiten besaß, steckte ich in ernsten Schwierigkeiten.
»Wir müssen noch eine andere Straßenbahn nehmen, die in der Canal Street. Damit kommen wir in die Nähe des Krankenhauses. Den Rest laufen wir. Es ist nicht weit«, erklärte Sebastian, als ich ausstieg.
Nachdem wir in die Straßenbahn in der Canal Street eingestiegen waren, sprachen wir für den Rest der Fahrt kein Wort mehr, was mir ganz recht war. Ich starrte gebannt auf die Ruinen des Geschäftsviertels und des Stadtzentrums. Sämtliche Hochhäuser und Gebäude bildeten ein Trümmerfeld oder waren ausgebrannt – es sah aus, als sei hier die Welt untergegangen. Hierher hatten es die Novem offensichtlich noch nicht geschafft.
Nachdem wir ausgestiegen waren, gingen wir etwa drei Häuserblocks weiter bis zum Charity Hospital. Sebastian rannte über die Straße, doch ich stand einfach nur da und starrte das große Gebäude an. Hier hatte meine Mutter mich geboren. Mein Puls ging schneller. War mein Vater ins Krankenhaus gekommen? War er mit Blumen in der Hand durch diese Türen gegangen? Luftballons? Einem großen weißen Teddybären?
»Ari!« Sebastian stand auf dem Gehweg und hob die Hände, als wollte er fragen, was los war.
Reiß dich zusammen. Ich äffte seine Geste nach und war dabei
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