Dein ist das Leid (German Edition)
ihn irritiert. „Nein. Er ist zum Teil Opfer, zum Teil aber auch Täter. Mir tut er leid.“
„Das sieht dir ähnlich.“
„Ryan, lass das.“ Casey war nicht in der Stimmung für Sticheleien. Außerdem war sie überrascht. Ryan klang nicht, als wolle er Claire bloß auf den Arm nehmen, sondern als fände er ihre Einlassungen regelrecht abstoßend – so etwas leistete er sich normalerweise nicht, schon gar nicht, wenn das ganze Team voll konzentriert über einen Fall diskutierte.
Das schien ihm selbst im gleichen Moment aufzufallen, denn er wirkte plötzlich verlegen und kleinlaut. „Entschuldige, Boss. Ich stehe wegen des Brandes letzte Nacht immer noch unter Spannung.“
Caseys Blick wanderte von Ryan zu Claire und zurück, aber sie akzeptierte die Entschuldigung mit einem knappen Nicken.
„Ich bin einer Meinung mit Claire“, sagte sie. „Mercer verhält sich wie eine Fliege im Spinnennetz. Bestimmt hat er sich in seiner politischen Karriere schon auf die eine oder andere schmutzige Sache eingelassen. Aber ich glaube nicht, dass er mit diesem Fall auch nur halb so viel zu tun hat wie Fenton.“
„Das stimmt wohl. Trotzdem weiß Fenton auch nicht, wo Everettsteckt“, warf Marc ein. „Sonst würde er ihn hierherschleifen, um Justin zu retten.“
„Nun, irgendwer muss wissen, wo Everett ist“, erwiderte Patrick. Er legte eine Pause ein, um nachzudenken. „Außer natürlich, Everett hat seinen Tod nur vorgetäuscht und sein Verschwinden selbst organisiert. Hat darüber schon mal jemand nachgedacht?“
„Ja.“ Das konnte Casey sofort beantworten. „Ich habe über viele Dinge nachgedacht. Das ist ein weiterer Grund, warum ich euch zusammengerufen habe. Ich möchte, dass wir uns diverse Szenarien vornehmen, um eins nach dem anderen entweder auszuschließen oder zu bestätigen.“
„Und Antworten finden, egal, was für Methoden dafür notwendig sind?“, fragte Marc leise.
„Antworten finden, egal, was für Methoden dafür notwendig sind“, bestätigte Casey. Sie wusste genau, worauf Marc hinauswollte. Gleichzeitig spürte sie Patricks finsteren Blick auf sich ruhen. Trotzdem zögerte sie nicht, noch wich sie zurück. „Wir machen weiter, und zwar mit einem einzigen Ziel – Justin zu retten, indem wir seinen Vater finden. Mir ist nicht mehr wichtig, wie wir das schaffen. Hauptsache, es geht schnell.“
„Casey …“, warnte Patrick.
„Ich kenne deine Meinung in dieser Angelegenheit, Patrick.“ Sie wischte seine Bedenken weg. „Aber die Umstände haben sich verändert. Wir haben es jetzt mit den Bundesbehörden zu tun. Das FBI weiß, dass wir an der Sache dran sind und dass wir nicht aufgeben werden. Die werden uns Steine in den Weg legen, wo sie nur können. Wir müssen ihre Aktionen vorausahnen und ihnen ausweichen.“
„Hast du eine bestimmte Vorgehensweise im Auge?“, wollte Marc wissen.
„Habe ich, und ihr müsst mir alle dabei helfen, den Plan so schnell wie möglich zu vervollständigen.“ Damit schwang sie ihren Drehstuhl zu der Videowand herum. „Yoda, ruf bitte eine virtuelle Arbeitsfläche auf.“
Yoda reagierte sofort. „Virtuelle Arbeitsfläche wird aufgerufen.“ Einige Sekunden vergingen, während die Monitore zum Leben erwachten und den Raum in künstliches blaues Leuchten tauchten. „Virtuelle Arbeitsfläche ist bereit.“
„Bitte ruf folgende Themenfelder in angegebener Reihenfolge auf:Straftäter, Flucht, Informant, Tod, Zeugenschutz.“ Sie schwang zurück und ließ ihren Blick über den Tisch wandern. „Sonst noch was?“
„Er hält sich nicht illegal im Land auf. Er ist nicht vom Militär desertiert. Ich denke, das deckt alles ab“, erwiderte Marc.
„Das sollte vorerst reichen, Yoda.“
„Themenfelder sind aufgerufen“, verkündete Yoda.
Die Videowand war nun unterteilt in fünf gleich große Bereiche mit den von Casey verlangten Überschriften.
„Gut.“ Casey breitete ihre Notizen auf dem Tisch aus. „Okay, gehen wir die Themenfelder nacheinander durch, jeder sagt, was ihm dazu einfällt. Yoda, bitte übertrage sämtliche Bemerkungen in Schriftform, und fasse zusammen, wo wir übereinstimmen und wo nicht. Führe für jeden in Echtzeit auf, wie wir vorankommen.“
„Alles bereit, Casey.“
„Dann fangen wir mal mit der Möglichkeit an, dass Paul Everett ein Straftäter ist.“
„Augenblick“, unterbrach Claire. „In der Sekunde, als du die Themen ausgesprochen hast, und dann erst recht, als ich sie schriftlich da stehen sah,
Weitere Kostenlose Bücher