Dein ist mein ganzes Herz
Erleichterung, bis sie das listige Funkeln in den Augen des Landedelmannes gewahrte. Er begann sofort einen Vortrag über die Aussichten der diesjährigen Ernte, nur daß er diesmal seine Opfer falsch eingeschätzt hatte.
Lord Hazelmere verwaltete schon seit frühester Jugend die Familiengüter, und auch Lord Fanshawe hatte zwar noch nicht sein Erbe angetreten, befaßte sich aber bereits mit den Angelegenheiten der dazugehörigen Ländereien. Auf gezielte Nachfragen mußte Edward Buchanan zugeben, daß er lediglich ein Landgut in Dorset besaß, das zu klein war, um dort Viehzucht zu betreiben.
Dorothea unterdrückte nur mühsam ein Lachen. Ferdie grinste über das ganze Gesicht, und Mr. Dermot schien ebenfalls sehr erheitert zu sein. Cecily, die Mr. Buchanan bisher noch nicht begegnet war, amüsierte sich über die durchsichtige Taktik der jungen Lords.
Mr. Buchanan bemühte sich verzweifelt, das Thema zu wechseln. "Ich bin sehr beeindruckt von Ihren Pferden, Miss Darent", meinte er. "Sie sind doch wohl gemietet."
"Ja, Mr. Acheson-Smythe hat sie für uns besorgt." Als sich Dorothea zu Ferdie umdrehte, entdeckte sie zu ihrem Erstaunen eine seltsam leeren Ausdruck in seinem Gesicht.
"Und aus welchem Stall stammen die Tiere, Mr. Acheson-Smythe, wenn ich mir die Frage erlauben darf?"
"Ferdie, du nimmst doch immer den Stall in der Titchfield Street in Anspruch", warf Lord Hazelmere ein.
"Ach ja, der Stall in der Titchfield Street", wiederholte Ferdie in einem so sonderbaren Ton, daß Dorothea sich überlegte, was wohl mit ihm los war.
Der Marquess, der wußte, daß es in der Titchfield Street keinen Stall und in ganz London vermutlich auch keine Titchfield Street gab, lächelte liebenswürdig.
Mr.Buchanan fand, daß er im Interesse seiner Zukunft genug getan hatte, erinnerte sich plötzlich einer getroffenen Verabredung und verabschiedete sich.
Kaum war er außer Hörweite, brach die ganze Gesellschaft in Lachen aus.
Die Schwestern kehrten mit ihren Begleitern zum Merion House zurück. Vor der Tür hob der Marquess Dorothea vom Pferd, hielt sie ein paar Sekunden lang fest und schaute ernst in ihr schönes Gesicht. Als Cecily plötzlich lachte, war der Zauber gebrochen. Er ließ sie los und verbeugte sich. ,,Au revoir, Miss Darent. Ich nehme an, daß wir uns heute abend sehen."
Im Haus informierte sie der Butler, daß Lady Merion sich ausruhte und ihren Enkelinnen riet, das gleiche zu tun. Am Abend veranataltete die Duchess of Richmond einen Ball, der als einer der Höhepunkte der diesjährigen Saison galt.
Dorothea beschloß, dem Beispiel ihrer Großmutter zu folgen. Ihre neue Zofe Trimmer erwartete sie, um ihr beim Auskleiden zu helfen. Betsy kümmerte sich weiterhin um Cecily, da sie mit deren zarter Gesundheit vertraut war. Witchett hatte auf Befragen, ob sie eine geeignete Person kenne, ihre Nichte Trimmer vorgeschlagen, die wie zuvor ihre Tante, dem Zauber ihrer hübschen, jungen Herrin sofort erlegen war.
Dorothea setzte sich vor den Frisiertisch und bürstete geistesabwesend ihre Haare. Es hatte lange gedauert, bis sie sich über ihre Gefühle klargeworden war. Doch nach dem heutigen Tag konnte sie sich nicht mehr selbst belügen. Im Park hatte sie gehofft, der Marqucss würde sie küssen so wie seinerzeit bei den Brombeersträuchern. So skandalös das auch sein mochte, sie wünschte sich seit langem eine Wiederholung jener Szene.
Schließlich legte sie die Bürste weg und streckte sich auf dem Bett aus. Sie wußte jetzt, daß sie ihn liebte, aber liebte er sie auch? Ihre gegenwärtige Beziehung würde nicht so unschuldig bleiben, wie die Geschehnisse des Nachmittags gezeigt hatten. Vielleicht gelang es ihr ja, ihn zu ermutigen, sich ihr zu erklären. Das sollte eigentlich nicht allzu schwer sein. Aus irgendeinem Grund empfand sie plötzlich so etwas wie Zuversicht. Vom Grübeln ermüdet, schlief sie ein und wachte erst auf als Trimer erschien, um sie für den Ball anzukleiden.
6. KAPITEL
Wenn Dorothea aus dem Fenster geschaut hätte, hätte sie gesehen, daß Tony Fanshawe und Ferdie den Marquess zu seinem Haus begleiteten. Lord Hazelmere öffnete die Tür und blieb abrupt stehen. Ferdie, der ihm auf dem Füße folgte und ihm über die Schulter blickte, rief verwundert: "Gütiger Himmel."
Lord Hazelmere betrachtete durch sein Augenglas die Berge von Koffern und Hutschachteln, die sich auf dem Boden der Halle türmten. "Was hat das zu bedeuten?" erkundigte er sich bei dem
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