Dein ist mein ganzes Herz
"Sie haben tatsächlich Ihre Grauschimmel mitgebracht", rief sie erstaunt.
Er nahm die Zügel, warf dem jungen eine Münze zu und schwang sich auf den Fahrersitz. Dann beugte er sich herunter, um ihr auf den Platz an seiner Seite zu helfen. "Was wissen Sie denn von meinen Grauschimmeln, Miss Darent?"
"Ferdie erzählte mir, daß Sie mit den Pferden kaum je im Park ausfahren." Ferdie hatte ihr noch mehr berichtet. Lord Hazelmeres Grauschimmel galten als das schnellste und harmonischste Gespann im Lande. Man hatte ihm schon Riesensummen für sie geboten, doch da sie aus seiner eigenen Zucht stammten, wollte er sich um keinen Preis von ihnen trennen.
Ein Gespräch war zunächst unmöglich, da die überfüllten Straßen und die lebhaften Pferde seine ganze Aufmerksamkeit erforderten. Erst nachdem sie den Park erreicht hatten, wandte er sich seiner Begleiterin zu. Zu
seiner Freude trug sie keinen Hut, so daß er ihr von den dunklen Locken umrahmtes Gesicht ausgiebig betrachten konnte.
"Miss Darent, ich muß London für ein paar Tage verlassen", erklärte er. "Dringende geschäftliche Angelegenheiten erfordern meine Anwesenheit in Hazelmere Park."
"Ich verstehe." Die Nachricht überraschte Dorothea keineswegs, denn ihr war völlig klar, daß er seine Güter nicht vernachlässigen konnte. Erst bei dem Gedanken an ihren Einführungsball schien sich der Himmel plötzlich zu verdunkeln. Sie überlegte, wie sie die Frage formulieren sollte, die ihr auf der Zunge lag.
Lord Hazelmere, der sie beobachtete, löste das Dilemma für sie. "Ich komme Dienstag abend zurück", versprach er. "Wir sehen uns also am Mittwoch wieder."
Nach einem Blick in ihr glücksstrahlendes Gesicht war er versucht, sie auf der Stelle zu bitten, seine Frau zu werden. Da es ihm andererseits widerstrebte, eine so wichtige Frage mit einer jungen Dame zu klären, während er ein Paar ungestümer Pferde bändigte, unterdrückte er diesen Wunsch.
Nach einiger Zeit lenkte er das Gespann zum Tor zurück. "Das Wetter schlägt um, Miss Darent", sagte er. "Sie haben hoffentlich nichts dagegen, wenn ich Sie nach Hause bringe."
"Aber nein. Ich fühle mich sehr geehrt, daß Sie mir Ihre Grauschimmel vorgeführt haben."
Vor der Tür von Merion House verabschiedete er sich von ihr. "Au revoir, Miss Darent, bis Mittwoch."
Sonntag und Montag besuchten die Schwestern mehrere kleinere Veranstaltungen. Während Cecily mit ihren jungen Verehrern heftig flirtete, vermied es Dorothea, die ihren zu ermutigen. Edward Buchanan ließ sich auch nicht durch eisige Kälte abschrecken. Dorothea war höchst irritiert, daß er ständig ihre Gesellschaft suchte. Er ging ihr mit seiner ganzen Art unsäglich auf die Nerven.
Lady Merion studierte die Liste mit der Tischordnung für das Dinner am Mittwoch abend. An diesem schrecklichen Dienstag herrschte Chaos im ganzen Haus. Lieferanten und Floristen kamen und gingen. Überall waren die Dienstboten damit beschäftigt, jeden Gegenstand aus Silber, Messing oder Kupfer zu polieren.
Ein Blick auf die Uhr zeigte, daß es beinahe Zeit zum Lunch war. Sie ging hinunter ins Morgenzimmer, in dem sie diese Woche alle Mahlzeiten eingenommen hatten, da das Speisezimmer sowie die Gesellschaftsräume umdekoriert worden waren. Für diese Aufgabe hatte sich Lady Merion einen Experten in solchen Dingen geholt: Ferdie Acheson-Smythe. Alle Räume waren in einem klaren, hellen Blau gehalten, dazu ein wenig Weiß und Silber, was eleganter wirkte als das übliche Weiß und Gold. Als Blumenschmuck hatten sie blaue und weiße Hyazinthen, weiße Anemonen und weißen Jasmin gewählt.
Diese Farben bildeten den perfekten Hintergrund für die Toiletten der Schwestern. Celestine hatte die schönsten Modelle geliefert, die sie je entworfen hatte. Sie hatte persönlich in den Geschäften nach einer meergrünen Seide gesucht, die genau zu Dorotheas Augen paßte. Das Kleid war so tief ausgeschnitten, daß es für eine jüngere Debütantin als unpassend erachtet worden wäre. Die Halslinie setzte sich in den kleinen Puffärmeln fort, so daß die Schultern nackt waren. Das Oberteil lag bis zur hochgezogenen Taille eng an. Der Rock umschmeichelte sanft ihre Hüften.
Cecilys Kleid aus aquamarinblauer Seide war weniger auffallend, brachte aber ihre jugendliche Gestalt vollendet zur Geltung. Es hatte einen runden Ausschnitt, eine hohe Taille und war mit unzähligen. kleinen Perlen bestickt.
Lady Merion hatte angeordnet, daß der tägliche Ausritt am Morgen des
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