Dein Kuss in meiner Nacht
Basser.«
Das Gefährt setzte sich in Bewegung und ich starrte aus dem Fenster, wie ein Kind vom Dorf, das zum ersten Mal in die Stadt kam. Alles war so anders. Die Leute auf den Fußwegen, die Autos, die Gebäude, alles sah aus, wie aus einem Science-Fiction-Film.
Das Taxi brachte uns in ein Wohngebiet mit Bungalows. Alle hatten blendend weiß gestrichene Wände, viel Glas und blaue Dächer. Nur Größe und Form variierten. Wir hielten vor einem Haus mit einer großen Fensterfront, die vom Boden bis zur Decke reichte. Wie alle Fenster, die ich hier bisher gesehen hatte, war das Glas nicht durchsichtig und leicht bläulich getönt. Vor dem Haus stand ein rotes Auto, oder besser, es schwebte über dem Boden, da es ja keine Räder hatte. Wir stiegen aus dem Taxi und ich spürte, wie mir das Herz in die Kniekehlen sank. In wenigen Minuten würde ich auf Coles Mutter treffen. Vor Aufregung schien sich mein Magen mal wieder verknotet zu haben.
»Nervös?«, flüsterte Cole neben mir.
»Ja. Schrecklich«, flüsterte ich zurück.
»Das brauchst du nicht zu sein«, beruhigte er mich. »Mum wird dich lieben. Und sie wird dir wahrscheinlich von all den Schandtaten berichten, die ich als Kind begangen habe.«
Ich kicherte.
»Kommt, Kinder!«, rief Basser von der Tür her.
Ich blickte auf und errötete, als ich die Frau bemerkte, die neben ihm stand und mich lächelnd musterte. Sie war die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Ich konnte mich nicht erinnern, ihr in Tristan Falls jemals begegnet zu sein, aber an Basser konnte ich mich ja auch nicht erinnern. Cole war ja auch noch nicht lange auf meiner Schule gewesen.
Cole nahm mich bei der Hand und zog mich mit sich aus dem Fahrzeug heraus.
»Mum, das ist Faith. Faith, das ist meine Mum, Koveena.«
»Hallo, Faith«, grüßte Koveena mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn, ehe sie ihren Sohn umarmte und ihm ebenfalls einen Kuss aufdrückte.
»Gehen wir rein«, sagte Basser und wir betraten das Haus. Es war hell und freundlich. Die Fenster waren zwar von außen undurchsichtig, ließen aber viel Licht hinein.
»Wir haben schon auf euch gewartet«, sagte Koveena und führte uns durch das Haus.
»Wir?«, fragte ich, verwundert, ob es noch mehr Familienmitglieder gab.
Koveena lachte über mein offenkundiges Entsetzen.
»Oh, du kennst sie. Es ist Cherryl. Sie wohnt hier, seitdem Cole dich zum Hauptquartier gebracht hat. Sie sitzt im Garten. Kommt. Es ist alles schon vorbereitet.«
Wir durchschritten ein riesiges Wohnzimmer und gingen durch eine Terrassentür hinaus ins Freie. Der Garten war groß und wurde von Bäumen begrenzt, die eine private Atmosphäre schafften. Unter einem ausladenden Baum saß Cherryl auf einem Gartenstuhl. Sie blickte auf und stieß einen kleinen Schrei aus. Erstaunt registrierte ich, wie sie aufsprang und auf uns zu gelaufen kam. Sie riss mich vollkommen unerwartet in ihre Arme. War das dieselbe Cherryl, die mir tagelang in den Ohren gelegen hatte?
»Oh, ich bin ja so froh, dass du wieder normal bist«, rief sie überschwänglich, als sie sich wieder von mir gelöst hatte.
»Normal?«, fragte ich irritiert.
»Naja, das letzte Mal, als ich dich gesehen habe, hattest du dieses Ding aus Blut an dir und dein Blick war so ...«
»Ich glaube, das heben wir uns für später auf«, unterbrach Cole und Cherryl nickte.
»Setzen wir uns doch«, sagte Koveena und führte uns zu dem Tisch unter dem Baum, wo Cherryl gesessen hatte.
Der Tisch war mit dreieckigen Tellern und flachen Tassen gedeckt. In der Mitte prunkten verschiedene Kuchen, Teller mit Konfekt und Schalen mit Früchten.
»Wir haben sogar Kaffee«, verkündete Koveena stolz. »Ich hab ihn aus deiner Welt mitgebracht. Du magst doch Kaffee?«
»Ich? Ähm, ja, ich mag Kaffee«, erwiderte ich.
Wir setzten uns und ich spürte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Wie lange war es her, dass meine Familie an einem gedeckten Kaffeetisch gesessen hatte? Wie sehr ich das vermisst hatte, wurde mir erst jetzt bewusst. Ich beneidete Cole um seine Eltern. Sie schienen alle so glücklich zu sein. Ich sah die liebevollen Blicke, die seine Eltern sich zuwarfen und fragte mich, ob es zwischen mir und Cole auch immer so sein würde.
»Was für einen Kuchen möchtest du?«, fragte Koveena und riss mich aus meinen Gedanken.
Ich versuchte ein Lächeln.
»Ich weiß nicht. Sie sehen alle gut aus. Ich ...«
»Nimm diesen hier«, sagte Cherryl und zeigte auf einen Kuchen mit einer grünen Glasur.
Weitere Kostenlose Bücher