Dein Name
ihrer Geburt ausstrahlte, als der Vater sie durch den KreiÃsaal wiegte, den alle oder viele Kinder ausstrahlen werden, die unter normalen Umständen zur Welt kommen, das Erfüllte, Weise, geradezu Altkluge bewahrt sich bei der Frühgeborenen. Da ist nichts, was auf einen Kampf hindeutete, kein Unwohlsein, keine Furcht, kein Zwist, schon gar nicht der Terror der Koliken, unter denen die Ãltere bald nach ihrer Geburt litt, allenfalls im Schlaf ein Zucken, das auf einen Traum schlieÃen läÃt. Ihr Schreien, selten genug, klingt eher wie eine Benachrichtigung. Sie schaut den Vater an, als ob sie ihn prüfen würde, prüfen und durchschauen. Alle Kulturen kennen Engel. Sie sind jene Wesen, die das Jenseits verlassen, ohne die Erinnerung zu verlieren, und sich im Diesseits bewegen, ohne ihm anzugehören. Engel verkörpern die Möglichkeit eines Dazwischen. Sie sind im Himmel und auf Erden, sind vor der Geburt und nach dem Tod. Die Sterbende war zum Engel geworden. Die Frühgeborene ist es noch. Beide schenkten dem Vater die Ahnung jener vorzeitlichen Harmonie, über die Hölderlin im Grund zum Empedokles schreibt. Es geht dort um die Dialektik von »aorgischer«, also unendlicher, schöpferischer, unbewuÃter Natur, und »organischer«, also organisierter, geschaffener, bewuÃter Kultur, die im Menschen zur Vollendung gelangen könnte. Dort, wo sie ins Organische, Künstliche umschlägt, also im Menschen, habe die Natur ihre »Blüthe«. Umgekehrt hat der Mensch, der sich noch im Einklang mit der Natur befindet, das Gefühl der Vollendung. »Aber dieses Leben ist nur im Gefühle und nicht für die Erkenntnià vorhanden. Soll es erkennbar seyn, so muà es dadurch sich darstellen, daà es im ÃbermaaÃe der Innigkeit, wo sich die Entgegengesetzten verwechseln, sich trennt, daà das organische das sich zu sehr der Natur überlieà und sein Wesen und BewuÃtsein vergaÃ, in das Extrem der Selbstthätigkeit und Kunst, u. Reflexion, die Natur hingegen wenigstens in ihren Wirkungen auf den reflectirenden Menschen in das Extrem des aorgischen des Unbegreiflichen, des Unfühlbaren, des Unbegrenzten übergeht, bis durch den Fortgang der entgegengesetzten Wechselwirkungen die beiden ursprünglich einigen sich wie anfangs begegnen.« Bei dem Professor, der Hölderlin rezitierte, war das Philosophie, und zwar, weil der Professor die Dialektik in der Hegelschen Fassung lehrte, die komplizierteste. Jetzt erscheint es dem Vater wie das grundsätzliche Prinzip des Werdens, als ob Hölderlin oder Hegel oder vor ihnen die Mystiker nur genau hingeschaut hätten: nicht auf das Leben, sondern auf ein Leben. Dabei hatten sie nicht die Einblicke, die heutzutage die U-Boote ermöglichen. Von der Natur wäre die Frühgeborene abgestoÃen worden. Es ist die Technik, das Künstlichste überhaupt, dank dessen die Eltern an jenem »Gefühl der Vollendung« teilhaben. Schon bald wird die Natur »in das Extrem des aorgischen des Unbegreiflichen, des Unfühlbaren, des Unbegrenzten« umschlagen. Die AuÃenwelt wird â vielleicht auch bei ihr dramatisch mit der Dreimonatskolik, die Babys die Erkenntnis einbleut, daà sie das Paradies verlassen haben, ihnen die Erinnerung raubt oder, schlimmer noch, die Geborgenheit zu einer bloÃen Erinnerung gerinnen läÃt â die AuÃenwelt wird als Schmerz, Bedrohung, Rätsel auf die Frühgeborene einwirken und ihr damit allmählich als etwas ÃuÃeres bewuÃt werden. Sie selbst hingegen wird mit zunehmendem Alter ins andere Extrem übergehen, »in das Extrem der Selbstthätigkeit und Kunst, u. Reflexion«. Ob »durch den Fortgang der entgegengesetzten Wechselwirkungen die beiden ursprünglich einigen sich« am Ende in Nasrin Azarba wieder verbunden haben, wie der Frieden nahelegt, den sie kurz vor ihrem Tod zu finden schien? Ob, wie es das Wort von der Schechina oder Sakinah will, der göttlichen Ruhe oder dem himmlischen Frieden, ob ihre letzten Minuten und Tage tatsächlich das seltsam besänftigende Gefühl verbreiteten, wie es wird oder werden könnte, so wie die Frühgeborene spüren läÃt, wie es war oder gewesen sein könnte? »Dià Gefühl gehört vielleicht zum höchsten, was der Mensch erfahren kann, denn die jezige Harmonie mahnt ihn an das vormalige umgekehrte reine VerhältniÃ, und fühlt sich
Weitere Kostenlose Bücher