Dein Name
aus der Kommode hervor, indes der Fetischist den Atem anhielt, sondern Spitzenfingerlinge in WeiÃ. Das warâs, eine weitere Berührung fand nicht statt. Erst zum Abschluà der Session strich sie ihm mit der samtweichen Spitze über die Wange. Da kam der Fetischist. Es war wunderschön, seufzt die Domina, wunderschön für sie, die auch eine Gestalt der Diotima ist.
Anders als die Mutter behauptet, muà GroÃvater seine Erinnerung vor der Revolution aufgeschrieben oder zumindest begonnen haben. Er erwähnt nämlich, daà die Amerikanische Schule »gegenüber dem ehemaligen Kosakenhaus lag, in dem heute das Kriegsministerium untergebracht ist«. Kriegsministerium hätte man nach 1979 nicht mehr geschrieben, glaube ich, da auch Iran seine Kriege seither Verteidigung nennt. Im Park neben der Schule lagen auÃerdem die Mädchenschule, eine Grundschule, das Wohnheim und das Theologische Seminar der Protestanten, ein Wohnheim für die älteren und ein Wohnheim für die jüngeren Schüler sowie zwei Wohnhäuser, das eine vom Direktor Doktor Jordan, das andere von einem Mister, dessen Namen ich anhand der persischen Buchstaben nicht entziffern kann, Shouleer, Shulayr oder so ähnlich. Ich kann auch nicht erkennen, in welche Klasse GroÃvater eingeschult wurde, da das Wort unleserlich ist. Wer immer das Manuskript abgeschrieben hat, er oder sie muà sich an dieser Stelle vertippt haben, da die Buchstabenfolge f-h-m keine Zahl ergibt. Wahrscheinlich ist n-h-m gemeint, dann hätte GroÃvater die neunte Klasse besucht: nohom . Jedenfalls wurden ihm ein Bett und eine Kommode im Wohnheim für die Ãlteren zugeteilt. Selbstverständlich listet er seine Zimmernachbarn auf: die drei Söhne des verstorbenen Hossein Ali Chan Saradj ol-Malak, Abdolhossein, Fazlollah und Schokrollah, die ebenfalls verstorben sind; Mostafa Fateh, der zweite Sohn des verstorbenen Hadsch Fateh ol-Molk; Herr Nurichan, der Sohn des verstorbenen Hadsch Mohammad Baqerchan der Sohn des verstorbenen ⦠nur wollte ich die Namen ja nicht mehr alle anführen. Den Vornamen Nurichans scheint GroÃvater tatsächlich vergessen zu haben, sonst würde er nicht fehlen. Die Schlafzimmer lagen um einen Saal herum, in dem die Schüler die Mahlzeiten einnahmen, die Hausaufgaben erledigten und ihre freie Zeit verbrachten. Viel Freizeit war es nicht. Auf den Unterricht folgte ein dreistündiges Silentium für die Hausaufgaben und zum Ãben. Verstanden die Schüler etwas nicht, durften sie zum Pult von Mister Burt gehen, dem Leiter des Wohnheims, und ihn flüsternd fragen. Wenn das Silentium beendet war, holte einer seine Laute hervor, der andere sang, man unterhielt sich oder spielte am Tisch ein Spiel â und eine halbe Stunde später wurde schon zum Abendessen gerufen. Wieder wurde es still, Mister Burt trug ein Gebet vor, zu dem die Schüler ehrfürchtig den Kopf zu senken hatten. Nach dem Abendessen, bei dem ebensowenig geredet werden durfte wie zu den anderen Mahlzeiten â nur gelegentliches Tuscheln tolerierte Mister Burt â, hoben die Geräusche für kurze Zeit wieder an und verebbten noch schneller als am Nachmittag. Die Nachtruhe begann früh. GroÃvater lag auf seinem Bett, es war viel zu früh, um schon schlafen zu können, doch wagte er es nicht, Abdolhossein oder Fazlollah anzusprechen, die links und rechts von ihm lagen. Nur die Pumpenlichter oder Lichtpumpen ( tscherâghhâ-ye tolombeh , keine Ahnung, was das ist), die den Gemeinschaftssaal auch nachts beleuchteten, waren zu hören. Aber wie klangen sie? Und was dachte GroÃvater, wenn er wach lag, was fühlte er?
Zersprengt, darin sind sie jetzt Geschwister, dachte der Freund aus Köln, als er im Korridor der Universitätsklinik eine ältere Dame dezent trauern hörte, beinah wie Königskinder, die sich nur noch finden müÃten. So fest sie sich mit dem Geliebtesten verbunden wähnten, ist einfach eine Hälfte von ihnen abgerissen und mitgenommen worden. Jetzt ist es da offen, voller Blut und Sehnen, und man sieht die Gedärme, selbst die Seele liegt frei aus. Sie gehen durch ihre Tage, verständig genug, morgens aufzustehen, aufs Klo und duschen, Frühstück und so weiter, selbst das Jammern, sie merken es selbst, bringt nichts ein, im Gegenteil: kostet nur die Geduld der Mitmenschen â aber sie sind nur die Hälfte. Der Freund fragt sich, wie das
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