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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Straße nicht erkennen, wenn er dir zufällig entgegenkäme, sagte der Freund später der Frau am Telefon. Als der Bildhauer in Japan lebte, lud ihn die Hausherrin ein einziges Mal zu einer Teezeremonie ein. Wenn sie lächelte, hielt sie sich stets eine Hand vor den Mund. Ein einziges Mal mußte sie lächeln, während beide Hände etwas trugen, die Teekanne und die Teetasse vielleicht, so daß der Bildhauer in ihren Mund blickte. Ihre Zähne waren pechschwarz. Der Musiker hat hinter das ornamental wirkende, aber streng geometrische Gitterwerk im Grabstein, den der Bildhauer vermutlich schon vor beziehungsweise für Nasrin Azarbas Tod entwarf, Weihrauch und selbstbrennende Kohle gestellt. Ist die Kohle angezündet, dringen Dampf und Geruch des Weihrauchs durch das Gitter, ziehen über das Blumenfeld auf dem Grab zu den Besuchern, steigen in den Himmel. Nasrin hat den Duft geliebt, sagte der Bildhauer, der an alles, aber nicht an den Weihrauch im Grabstein gedacht hatte.
    Als der Schaffner Köln bereits angesagt hat, bleibt es hinterm Fenster merkwürdig lange dunkel. Er fährt so oft abends in den Hauptbahnhof ein, daß er sich daran gewöhnt hat, von den Lichtern der Stadt auf die bevorstehende Ankunft aufmerksam gemacht zu werden, nicht erst von der Ansage. Kurz erwägt er die Möglichkeit, eingeschlafen und am Bahnhof vorbeigefahren zu sein. Endlich leuchtet Köln doch auf, erst Kalk, dann die weite Landschaft der Rangiergleise, Bahnhof Deutz und die klinkerrote Messe, gegenüber Deutschlands größte Eventhalle, mit der Köln sich brüstet wie andere Städte mit ihrer Kultur, auf dem schrägen Dach der Henkel zum Wegwerfen und angeschlossen das vollbesetzte Parkhaus. Während er auf das neue Hochhaus am rechtsrheinischen Ufer zufährt, das nach dem Veto immerhin der Vereinten Nationen zehn oder zwanzig Stockwerke kleiner ausfallen mußte, damit es sich nicht mit dem Dom mißt, fragt er sich, welcher Superstar wohl gerade singt, so spät und mitten im Sommer, daß das Parkhaus besetzt ist. Der Rhein ist voller Schiffe, an denen ringsum bunte Lichterketten hängen. Die Schiffe fahren nicht, sie ankern quer über den Fluß verteilt, bestimmt fünfzehn oder zwanzig Passagierschiffe, auf deren Decks sich die Menschen drängen, als würde Köln evakuiert. Allerdings stehen auch auf der Hohenzollernbrücke, über die der Zug in den Bahnhof einfährt, und linksrheinisch vorm Museum die Menschen dicht an dicht, ohne verschreckt zu wirken. Es sieht nicht nur aus, sondern fühlt sich hinterm Zugfenster als Kribbeln körperlich an, als erwarte die Menschheit einen Kometen oder sonst etwas Außernatürliches am Himmel, einen Messias vielleicht sogar, warum nicht?, der zu einer bestimmten Uhrzeit nirgends anders als in Köln eintreffen werde, und nur ihn, den Handlungsreisenden, weil er für eine Diskussionssendung in München war, nur ihn hat die Ankündigung, die sehr kurzfristig gewesen sein muß, nicht erreicht. Kaum aus dem Zug gestiegen, hört er zwei Böller explodieren, verfrüht offenbar, und sieht im Spiegel der gläsernen Gleishalle bunte Lichter regnen. Soviel er von der Liebe zu Feuerwerken aus der Kindheit gerettet, enttäuscht ihn die Erklärung, ist doch selbst das schönste Feuerwerk kein Sternschnuppenregen und schon gar kein Messias, der von Köln auszieht, um das Privatfernsehen abzuschaffen und alle Edelboutiquen, Feinkostläden und Gourmetrestaurants gleich mit. Der Handlungsreisende geht nach Hause, vorbei an den Nutten und ihren noch älteren Kunden, vorbei an Matrosen aller Meere, die mit Kölschflaschen in den Ladeneingängen hocken, vorbei an dem verblüffend pittoresken, nun leeren Platz rings um das Stadttor mit seinen Restaurants, dem türkischen Buch- und dem russischen Teehändler, vorbei am Café an der Ecke zur Hauptstraße, wo zwei der Viertelverrückten mit sogenannten Normalen noch an einem Tisch draußen sitzen, müde vom Tag und den Tagen, stolz, sich nicht über die Rezension zu ärgern, auf die er im Zug stieß. Zu Hause steht die Frau auf der Terrasse und starrt in den Himmel. Sofort ergreift ihn die alte kindliche Erregung. Er eilt zur Abstellkammer, um die Leiter zu holen, und steigt, ohne die schlafenden Kinder geküßt zu haben wie sonst, mit der Frau aufs Dach. Und tatsächlich erwartet sie – so wie vorhin die

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