Dein Name
auf dem Teppich, halb auf dem Kissen und rauchte Opium. Auf dem Boden standen Schnapsflaschen herum, leere, angebrochene, volle. Für GroÃvater brach eine Welt zusammen, wie er schreibt. Agha Seyyed Abolhassan Tabnejad, das war eine religiöse Autorität, ein Gelehrter, ein Seelsorger, wie ihn GroÃvaters Bahai-Freunde hatten â ein Opiumraucher, ein Alkoholiker. Immerhin waren die Wände bis an die Decke vollgestellt mit Büchern und schien er alle Verse des gepriesenen Rumis auswendig zu beherrschen, rezitierte gleich am ersten Abend den Vierzeiler, den auch Nasrin Azarba liebte: »In jeder Himmelskugel sehe ich eine Pupille / Und in jeder Pupille einen Himmel / O du Ahnungsloser, siehst du in Einem Vieles / Seh ich in Allem das Eine.« Obwohl GroÃvater ihm nie zuvor begegnet war, schien der Seyyed ihn zu kennen. Er reichte GroÃvater einen Briefumschlag und fragte, ob er die Schrift schon einmal gesehen habe. â Es ist die Schrift meines Vaters, antwortete GroÃvater und wollte den Umschlag öffnen. â Nicht doch, sagte der Seyyed und nahm den Umschlag wieder an sich. â Ich schätze deinen Vater sehr, fuhr der Seyyed fort, als erkläre er damit sein seltsames Verhalten. Von der Hoffnung auf einen islamischen Weisen enttäuscht, nutzte GroÃvater die erste Gelegenheit, sich zu verabschieden. Seinen Vater fragte er im nächsten Brief, warum Agha Seyyed Abolhassan Tabnejad ihm den Umschlag erst gezeigt und dann wieder abgenommen haben könnte. UrgroÃvater riet, den Besuch unbedingt zu wiederholen und sich dabei nicht mehr von ÃuÃerlichkeiten irritieren zu lassen. »Bisweilen sind wir sichtbar, bisweilen verborgen«, zitierte auch UrgroÃvater den gepriesenen Rumi: »Bisweilen Muslime, Christen oder Juden; / Wir durchlaufen viele Formen, bis unser Herz / Zufluchtsstätte für alle wird«. Der Seyyed habe seine Existenz der Liebe geweiht und das Gesetz längst hinter sich gelassen. In das Zimmer am Stadtrand habe er sich zurückgezogen, weil er sich von allem Weltlichen losgesagt, auch von der Familie, der Moschee und dem Theologischen Seminar, dessen Leitung er sonst übernommen hätte. In Kairo habe der Seyyed studiert, in Beirut, in Damaskus und Nadschaf. Jetzt schon sei sein theologischer Rang höher als der seines Vaters. Das Verbot, den Umschlag zu öffnen, deutete UrgroÃvater als erste Lektion für den künftigen Assistenten: Es war zwar meine Schrift gewesen, aber nicht dein Name.
Die ersten paar Bands waren na ja, deutscher Indierock, recht klug, ganz nett, aber eben nichts, was ich verpaÃt hätte in den zwei bis zwanzig Jahren, seit ich nur noch Konzerte in der Philharmonie oder von älteren Herren besuche, die für immer jung sind. Ein Problem dieser Bands sind eindeutig die Bassistinnen, deren Spiel nicht mit ihrer Schönheit mithält. Ich gebe zu, eine junge Frau am Baà hat eine unglaubliche Ausstrahlung, nur durch das Instrument, die fetten Saiten, in die ihre Fingerchen greifen, die Blicke, die sie auf sich zieht, die Verweigerung aller sexuellen Konnotationen und zweideutigen Bewegungen, die für eine Rocksängerin normal wären. Es ist die Situation auf der Bühne, das Männliche des Ortes und der Rituale. Die gleiche Frau wenig später im Publikum des nächsten Konzerts fällt nicht besonders auf. Ich kann also den Trend zu hübschen Bassistinnen verstehen. Auch meinen Blick halten sie ein, zwei Stücke lang gefangen, und wenn ich »gefangen« schreibe, meine ich damit, daà ich den Mechanismus durchschaue, ohne mich ihm entziehen zu können. Dann jedoch befreiten sich jedesmal meine Sinne und stellten ernüchtert fest: Jedenfalls die zwei oder drei Bassistinnen, die ich auf dem Festival erlebte, waren einfach nicht gut oder nur gut und keinesfalls sensationell, wie sie hätten sein müssen, damit es eventuell hätte anfangen können zu rocken. Wenn der Baà nicht hämmert, wenn er den Beat nicht vorgibt, sondern ihn gerade eben hält, bleiben die anderen Instrumente stecken, mögen sie technisch noch so versiert gespielt werden. Ein Baà muà anführen, und zwar so, daà niemand es bemerkt. Bei einem klassischen Konzert ist es als Laie schwerer, die Qualität einzuschätzen; man hat ein Gefühl, wenn das Orchester in dem Sinne über sich hinauswächst, daà sich tatsächlich etwas Transzendentes, etwas von einer anderen
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