Dein Name
Soundso aus Ghom. Wie zur Rache erinnert sich GroÃvater nur an den halben Namen des Widersachers, der ihm den Platz neben dem Richter neidete und damit die Tage in Saweh vergällte. Eines Tages erreichte GroÃvater ein Anruf aus Teheran, was als solches schon ein Ereignis war: Mohammad, komm ins Postamt, schnell, du hast einen Anruf, beeil dich! Ein Klassenkamerad von der Amerikanischen Schule benachrichtigte ihn, daà der britische General Sykes, der in meinen Büchern erwähnt wird, in Teheran residiere, um für ein ausgezeichnetes Gehalt Iraner mit Englischkenntnissen für seine »South Persian Rifles« anzuwerben. Die »South Persian Rifles« waren eine Truppe von fünf- oder zehntausend iranischen Soldaten, die von britischen Offizieren geführt und vom britischen Staat finanziert wurden, damit sie die Interessen der Briten im Süden Irans schützten, insbesondere ihr Monopol aufs Erdöl. Vergeblich versuchte der Seyyed, GroÃvater zum Bleiben zu überreden, und war um so bitterer beim Abschied. GroÃvater stellte sich ein zweites Mal in der britischen Botschaft vor und erhielt diesmal eine Anstellung als Leutnant der »South Persian Rifles«. Mit einer schmucken Uniform ausgestattet, wurde er nach Kerman verlegt. In Isfahan, wo die Mannschaft Rast machte, empfing ihn UrgroÃvater ein drittes Mal mit zornigem Blick. GroÃvater hatte selbst das Gefühl, daà es unpatriotisch sein könnte, der britischen Armee zu dienen â aber die gute Bezahlung und die elegante Kleidung. GroÃvater legte sie ab und blieb bei den Eltern. Ãber das Jahr, das er in Isfahan verbrachte, schreibt er lediglich, daà er an der armenischen Schule in Djolfa unterrichtete. Dann setzte er sich wieder in die Kutsche, um sein Glück noch einmal in der Hauptstadt zu versuchen. Als erstes wollte er Agha Seyyed Abolhassan Tabnejad besuchen, der aus Saweh zurückgekehrt sein muÃte.
Weil ab der zweiten Lebenshälfte offenbar nicht einmal mehr Siegen vor Nostalgie schützt, fahren die Brüder in die Kneipe hinterm Bahnhof, die der Jüngste zum Schluà bevorzugte, das Publikum grün-alternativ, Studenten vor allem, immer wieder Referendare, die er aus dem Unterricht, oder Musiker, die er durch seine Berichte für die Lokalzeitung kannte, Entfernung von zu Hause: zwanzig, fünfundzwanzig Minuten, als er noch keinen Führerschein besaÃ, auf dem Rückweg oft Pommes frites aus dem Schnellrestaurant, gegen dessen Eröffnung er mitdemonstriert hatte. Heute würde er den Weg nicht mehr allein finden. Seit er dort sein letztes Bier trank, wurde im schmalen Siegtal die vierspurige HochstraÃe zu Ende gebaut, gegen die Siegens grün-alternative Szene ebenso vergeblich kämpfte wie gegen dass Schnellrestaurant, weil sie kaum gröÃer war als das Publikum der Kneipe. Schon die Anfahrt nach Siegen ist neu. Bogen sie früher am Kreuz Olpe-Süd auf die A 45 und nahmen die Ausfahrt vor der Autobahnbrücke, die beim Bau die zweithöchste oder zweitlängste Europas gewesen sein soll, wie sich Siegen bis heute rühmt, bleiben sie jetzt auf der verlängerten A 4 , die bei Olpe-Süd menschenleer wird, da sie mit den Landschaften den einzigen Grund zerstört, weswegen ein Mensch das Siegerland besuchen könnte. Dörfer, die er nur als Gegner seiner FuÃballmannschaft je betrat, Krombach, Kreuztal und Buschhütten, dürfen sich jetzt einer eigenen Autobahnabfahrt rühmen, Autohof, Drive-Ins und Erotik-Megastore bereits als nächste Stufe der Zivilisation in Planung. Auf der Höhe der Schieferdächer gleitet man mit hundertzwanzig in die Unterstadt, wo man sich wie in Los Angeles, oder nein, nicht wie in Los Angeles vorkommt, denn in Los Angeles stehen Häuser, also Häuser, die man sieht, weil sie höher als die StraÃen sind. Hingegen auf den Autobahnen durch Siegen sieht man wegen der Schallschutzmauern nicht einmal die Dächer, nur auf den Hügeln die Wälder. Dafür wäre man jetzt mit hundertzwanzig auch wieder aus Siegen heraus, ohne einen Siegener gesehen zu haben. Um so überraschender ist, was sich unter der Autobahn getan hat. Auf dem Weg zum Bahnhof fahren sie durch eine StraÃe mit lauter Cafés, auf der die jungen Leute flanieren, eine regelrechte Vergnügungsmeile, Cineplex und Cappuccino. Die Shopping-Mall soll nach Auskunft der notorisch übertreibenden Mutter gröÃer als in
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