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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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zählen, die Polizei versperrte den Ausgang zur Hauptstraße. Die Angreifer hatten auch Zeit, vergewaltigten eine Frau nach der anderen. Sie auch? wagt der Berichterstatter nicht zu fragen. Immer wieder schaut jemand vorbei und stellt die gleichen Fragen, ohne daß sich etwas ändert. Ich kann nichts ändern, gibt der Berichterstatter zu, ich kann nur dazu beitragen, daß Sie nicht vergessen werden. Nach mir kommt jemand, der an den 28. Februar 2002 erinnert, und wieder jemand und wieder, und einmal wird sich so Gott will etwas ändern, da sind sie dennoch dankbar für seinen Besuch, die Frauen alles andere als verschüchtert, kein Kopftuch, anmutige Gesichtszüge und schlanke Körper, viel Haut und noch mehr Selbstbewußtsein, obwohl das meiste von dem bißchen Unterstützung von islamischen Organisationen kam, Islamisten, wie der Übersetzer später bestätigt. Wie auf der ganzen Welt hatten die Vertriebenen nie Probleme mit den Nachbarn. Wie auf der ganzen Welt waren es nicht die Nachbarn. Wie auf der ganzen Welt haben die Nachbarn auf die Häuser gezeigt, die in Brand gesetzt werden konnten.
    Der Berichterstatter könnte in Gujarat immer noch Haßprediger treffen, die Muslimen das Stimmrecht entziehen und sie zwangsweise sterilisieren lassen wollen, die für das Verbot religiös gemischter Heiraten eintreten oder Gefängnisstrafen für abtrünnige Hindus fordern. Er könnte Videos kaufen, auf denen Radikale sich mit der Anzahl der Musliminnen brüsten, die sie vergewaltigt haben. Er könnte es bequem so konstruieren, als würde Gujarat von hinduistischen Taliban beherrscht, ein Bundesstaat mit immerhin sechzig Millionen Einwohnern. Aber das träfe nicht den Kern. Das Ressentiment gegen Muslime hat sich 2002 in einer spezifischen Lage explosionsartig entladen, nach einer Serie von islamistischen Anschlägen in Indien, Gefechten mit pakistanischen Freischärlern und dem 11. September 2001, den die Hindu-Nationalisten weidlich ausschlachteten. Das Entsetzen, das sich nach den Massakern in ganz Indien einstellte, führte in Gujarat zu einem kollektiven Trotzgefühl, das der Chief Minister für sich ausnutzte. Die Kritik an den Massakern deutete er um in eine Verleumdung der friedliebenden Gujaratis: »Ihr sollt also die Vergewaltiger sein, von denen ganz Indien spricht«, redete er auf Wahlkampfveranstaltungen sein Publikum an und schmunzelte. Auf Dauer ist der giftspritzende Extremismus nicht mehrheitsfähig, nicht in Indien und heute nicht einmal mehr in Gujarat. Den meisten Gujaratis, wenn sie die Massaker von 2002 schon nicht verurteilen, ist die Erinnerung eher peinlich. Entsprechend vermeidet auch der Chief Minister jede Anspielung. Statt von der Gefahr des Islam spricht er lieber von Technologie und Wirtschaft. Das bringt ihm Kritik ein von Extremisten. Aber es könnte in die Mitte der indischen Gesellschaft führen. Die vier freundlichen Studenten, die der Berichterstatter am Tag nach der Rede des Chief Ministers in der Mensa des Technischen Kollegs anspricht, müssen lange überlegen, was 2002 geschah. Der Berichterstatter hilft mit dem Wort disturbances nach, da denken sie zunächst an das Erdbeben vor sechs Jahren. Ach so, die Ausschreitungen gegen Muslime. Natürlich sind sie dagegen, überhaupt gegen Gewalt. – Aber es war eine Reaktion, das muß man auch sehen. Der Besucher weist auf den Bericht zur Ursache des Unglücks hin, von dem die Studenten noch nicht gehört haben. – Die Muslime, fährt einer fort, haben so viele andere Attentate begangen. – Nicht alle Muslime sind Terroristen, wirft ein anderer ein, aber alle Terroristen … Nochmals, sie seien gegen Gewalt, beteuern sie, und hätten nichts gegen den Islam. Überhaupt diskutierten sie praktisch nie über Politik. Der Chief Minister fördere die Universitäten, das sei ihnen wichtig. Nein, sie selbst kennen keine Muslime. Auch nicht aus dem Kolleg? Doch, doch, es gebe ein oder zwei Studenten, aber die würden sie nicht kennen. Nur ein oder zwei Studenten am ganzen Kolleg? Ja. Und aus der Schule? Da war auch kein Muslim in der Klasse. Es ist auffällig, daß vor allem neuere Viertel von den Unruhen betroffen waren, die sich aus ehemaligen Slums zu kleinbürgerlichen Wohngegenden entwickelt haben. Dort lebten Muslime und Hindus schon zuvor nach Straßenzügen getrennt. In der Altstadt von Ahmadabad hingegen, wo

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