Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
Vom Netzwerk:
durfte, schreibt Mossadegh, daß es zu seinen Schlüsselerlebnissen gehörte, in einen iranischen Hafen einzufahren, den die britische Besatzung des Schiffs wie selbstverständlich für britisch hielt. Außerdem erwähnt er einen Yamin ol-Mamalok, der ihn und seine beiden Kinder in Buschher beherbergt habe. Yamin ol-Molk muß also doch ein anderer gewesen sein. Großvater hat den Namen richtig geschrieben.
    Nach einem Bettgespräch darüber, ob und wie man sich gegen die Erschlaffung impfen sollte, die nach vielen Ehejahren wohl unvermeidlich sich in Glieder und Gedanken ausbreitet (schon vergessen, wie froh er vor zwei Jahren gewesen wäre, erschlaffen zu dürfen), führte er ein grotesk gelehrtes Thekengespräch über die Archivmappe, die er mit sich trug, und zog weiter ins Büro, um die ausgefallene Begattung mit der Onanie zu kompensieren, die er am Computer betreibt. Der Hölderlin-Film von Harald Bergmann, den das Archiv der Mappe beilegte, leidet unter Harald Bergmann, der etwas auf der Spur ist, das er voreilig ausspricht, auf dem Weg gleichwohl Hinweise verstreut. Überhaupt einmal zu sehen, was für eine Gestalt der Herausgeber ist, wie er aussieht, wo er wohnt. Wie vermutet, liegt der Irrsinn unter der Oberfläche, nur für Momente aufblitzend, überraschend hingegen der Gehirnforscher aus den Feuilletons und Bestsellerlisten, den ich mir immer schnieke vorgestellt, und dann hat er einen buschigen Kinnbart, fettige Haare und eine zu große rechteckige Brille, Klischee Kassenbrille, fragend im Tonfall, angenehm. Dieser stets lächelnde Schweizer Musiker oder Komponist, selbst wenn ihm gar nicht danach war, machte auf eine Verbindung zwischen Hölderlin und Jean Paul aufmerksam, nämlich einen seinerzeit berühmten Geiger, bei dem Hölderlin Unterricht nahm, nein: der Hölderlin nach der ersten Stunde fortschickte, weil der schon alles konnte. Nach dem Namen muß ich noch mal schauen, den Namen des Geigers, meine ich, denn der Musiker hatte einen Namen, den man nicht vergißt, und ist wahrscheinlich wieder ein Weltberühmter. Was die Verbindung zu Jean Paul war, habe ich ebenso vergessen. Der richtige Instinkt leitete Harald Bergmann auch zu dem Eremiten Walter, der wie ein Malang aussieht, ein närrischer Sufi, oder ein Sadhu aus Indien, die zotteligen grauen Haare, der zahnlose Mund, die gegerbte Haut, selbst die Körperhaltung, die Knie angezogen bis unters Kinn, der Rücken gebogen (aber laß dich von unseren gebogenen Rücken nicht täuschen, wie schon Hafis warnte, der Bogen könnte in dein Auge zielen), nur scheint Walters Höhle in den Alpen oder im deutschen Mittelgebirge zu liegen. Wo Harald Bergmann den hergeholt hat? Wie gesagt, alles die richtigen Fährten, nur fährt Bergmann die Musik hoch, gerade wo Walter den Rahmen sprengt, indem er berichtet, wie er 45 im Führerbunker ein Paket vorbeibrachte. Es ist Blindheit, Unachtsamkeit, dem Vorrang des Prinzips vor dem Gegenstand geschuldet. Mit dem Herausgeber sitzt Bergmann im Auto, auf der Rückbank eines Vans oder wie immer die siebensitzigen Fahrzeuge zwischen Limousine und Bulli heißen, Bergmann – Harald Bergmann!, nicht Ingmar, lassen Sie sich von seinem Namen nicht täuschen –, Harald Bergmann scheint gar nicht zuzuhören, jaja, Absicht, ich weiß, Kunst, Harald Bergmann schaut in die andere Richtung, da würde ich schon gar nicht reden, aber der Herausgeber achtet zum Glück nicht auf Bergmann, der neben ihm in die falsche Richtung schaut, sondern denkt an den Film, der nicht nur dem Regisseur gehört, ein Film über Hölderlin! mit den richtigen Fragen, und spricht über Prophetie, über Jesaia, Jeremia und Hölderlins Hybris, ihnen nachzufolgen, was – und hier der tollkühne Nebensatz – ihm auch schon so ergangen sei, nein, nicht ergangen, es war ein aktives Verb, zu dem ich am 20. Januar 2009 um ungefähr 0:19 Uhr nicht mehr zurückfinde, da ich mit Single Malt und Wilden Pferden in den Himmel trabe. Bergmann schaut kurz hinüber: – Wie, Prophet, Sie auch, was meinen Sie damit? – Na ja, als Jüngling, spricht der Herausgeber zu sich selbst und wartet vergeblich auf die Nachfrage des anderen. Nicht einmal der Verleger reagiert auf den Roman, den ich schreibe, sooft der Romanschreiber in Zürich angerufen hat, wohin er morgen für eine Fernsehaufzeichnung fliegt. Der Verleger sei in

Weitere Kostenlose Bücher