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für ihre persönlichen Einkäufe zahlen sollten. Diesmal hatte GroÃvater jedoch die Unterstützung seines Vorgesetzten und durfte das Schiff den Hafen erst verlassen, als die Gebühren ordnungsgemäà entrichtet waren. Ich beklage mich nicht mehr, daà ich über die Verhältnisse in Bandar Abbas, das schon damals der gröÃte Umschlagplatz des Persischen Golfs oder des gesamten Indischen Ozeans gewesen sein dürfte, nichts weiter erfahre, nichts über die Auswirkungen des Putsches von Seyyed Zia Tabatabaà und dem Griff Reza Chans nach der Krone in Teheran, das Mit- und Gegeneinander der verschiedenen Bevölkerungsgruppen, Nationalitäten und Diplomaten, den Rausch des schwarzen Goldes. AufschluÃreich für den quasikolonialen Status des Landes ist immerhin der Hinweis, daà der britische Konsul deshalb von der Konfiszierung des Handelsschiffs erfuhr, weil er wie selbstverständlich eine Durchschrift aller iranischen Zolldokumente erhielt. GroÃvater beschränkt sich streng auf seine eigene Welt oder sogar Amtsstube, und wenn der Leser daraus etwas über die Verhältnisse lernt, dann eher beiläufig wie in der Geschichte über den englischen Hundebesitzer: Täglich nach der Arbeit spazierte GroÃvater mit seinen Freunden zu einem Strand auÃerhalb der Stadt, wo eine Brise etwas Abkühlung verschaffte in der Glutofenhitze des Golfsommers. Einmal gerieten sie auf dem Rückweg in einen Sandsturm, den GroÃvater beinah so dramatisch beschreibt wie den Schneesturm vor dem Paà von Asadabad. Die Freunde hielten sich an den Händen, um sich nicht in den wandernden Dünen zu verlieren, die sie zu begraben drohten, als plötzlich ein gewaltiger Hund über sie herfiel. Mit den Armen und mit FuÃtritten versuchten sie, den Hund abzuschütteln, da tauchte ein weiteres Wesen aus dem Nichts auf, dieser Engländer, und streckte einen von GroÃvaters Freunden mit einem Faustschlag nieder. Abgesehen vom Sandsturm kann das natürlich auch in Berlin geschehen oder ist es dem Enkel so ähnlich sogar geschehen â zwar wurde er nicht verprügelt, doch konnte er die Ãltere, die damals drei Jahre alt war, nur retten, indem er sie über seinen Kopf hielt, während der Hund an ihm hochsprang, um sie zu beiÃen oder mit ihr zu spielen, was wuÃte er denn, die Ãltere kreischte, weinte und winselte vor Angst, er schrie das Herrchen an, den Köter zurückzupfeifen, der freilich nur mit den Schultern zuckte, daà dieses Stück des Waldes amtlich als Hundefreilaufzone ausgeschrieben, das Kind also nicht sein Problem sei. Und doch haben nicht der Imperialismus, sondern eben solche Episoden, von denen so oder vergleichbar jeder ältere Iraner zu erzählen weiÃ, jenen Unmut erzeugt, der zum Aufstand gegen den Westen führte (beziehungsweise zu den Vorbehalten des Enkels gegen Berlin). GroÃvater erwähnt oft, wie nett dieser oder jene Belgier oder Amerikaner gewesen sei, wie korrekt oder freundlich von Herzen. Für die Leser, die er im Sinne hat, bedarf es kurz nach der Islamischen Revolution offenbar der Betonung.
Der Bevollmächtigte der iranischen Krone in Bandar Abbas, der die Interessen der Nation und ihrer Bürger insbesondere gegenüber den britischen Mandatsträgern und Firmen vertreten sollte â wie ein Botschafter im Ausland, so klingt das â, war ein winziger Greis, Sadid os-Saltaneh, schwer alkoholkrank, daher mit starkem Tremor, kurzatmig und sofort bereit, alles zu unterschreiben, was ihm von wem auch immer angetragen wurde, sofern man ihn dafür in Ruhe lieà und er sich keinen Ãrger einhandelte. Das eigentliche Interesse von Sadid os-Saltaneh waren Antiquitäten. Sein Haus glich einem Museum oder besser einem Museumslager, so vollgestopft war es mit Münzen, Teppichen, Bildern, Vasen, Leuchtern und anderen alten Gegenständen. Den Empfangssaal teilte die Gräte eines riesigen Fisches in zwei Hälften. Der Bevollmächtigte der iranischen Krone bekundete GroÃvater und seinen Freunden, die sich über den englischen Hundebesitzer beschwerten, sein Bedauern, wies jedoch erschrocken ihr Anliegen zurück, beim britischen Konsul Protest einzulegen. Die heftigen Vorwürfe, die ihm GroÃvaters Freunde deswegen machten, nahm er schweigend hin.
Die junge, dicke Wirtin, Köchin und Kellnerin in einer Person, weist einen Tisch in der Ecke des Hinterzimmers zu, die
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