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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Großmutter auch noch seufzend ihre große Schmuckschatulle in die Halle trug, saß Großvater bereits am Eßtisch im Salon und listete säuberlich auf, was er von jedem einzelnen erhalten hatte, um es auf Heller und Pfennig zurückzuzahlen, sobald die Briten die Seeblockade aufheben und die Welt das Recht Irans anerkennen würde, über seine Bodenschätze zu verfügen. Anschließend eilte er zur Bank und kehrte mit den Schuldscheinen zurück, die er selbst ausgefüllt und unterschrieben hatte.
    Glücklicher hat meine Mutter Großvater nie wieder gesehen. Er blieb zu Hause, der erste Abend ohne Besucher seit Monaten, der erste Abend, an dem er mit seiner Familie aß statt mit Gästen, in der Stadt oder stehend in der Küche. Großmutter genoß es. Sie war nicht weniger aufgeregt als Großvater über die Entwicklung, auch nicht weniger bei der Sache, und doch stöhnte sie gelegentlich darüber, daß ihr Haus sich in ein Teehaus verwandelt habe. Für sie reduzierte sich der Freiheitskampf der iranischen Nation darauf, den Besuchern, die Großvater unangemeldet mitbrachte, ein Essen vorzusetzen, und beinah jeden Abend eine unüberschaubare Menschenmenge mit Tee, Süßigkeiten, Obst und Nüssen zu versorgen. Die Plackerei störte sie nicht, auch nicht, daß keine Zeit mehr für Geselligkeiten und die Freitage im Garten des Onkel Oberstleutnants blieb, der ohnehin eine ganz anderer Meinung hatte über diesen Doktor Mossadegh, der die Monarchie abschaffen wolle. Sie störte, daß Großvater sie wie eine Bedienstete behandelte, wie eine kolfat . In politischen Debatten mitzuwirken war Anfang der fünfziger Jahre für eine Frau noch so gut wie ausgeschlossen, jedenfalls außerhalb Teherans – sie hatten nicht einmal Wahlrecht –, doch wenigstens wollte sie einbezogen werden, wollte von Großvater mehr hören als nur Bulletins über die mutmaßliche Besucherzahl. So sah sie es. Ohne daß sie darüber sprachen, spürte Großvater die Unzufriedenheit seiner Frau: Jetzt, da es um die Befreiung der Nation ging, kam sie mit ihren verletzten Gefühlen. So sah er es. Die Spannung entlud sich, als Großvater den Besuch von Mozaffar Baghaí und Khalil Maleki ankündigte, den beiden Führern der »Werktätigen« ( Zahmatkeschân ), der wichtigsten Partei innerhalb Mossadeghs Nationaler Front. Im beschaulichen Isfahan war das praktisch ein Staatsbesuch, ein Ereignis für die gesamte Stadt, und nirgends anders sollten die berühmten Männer zu Abend essen als bei ihnen, den Schafizadehs am Teheraner Tor. Dann ließ Großvater die zweite, die größere Bombe platzen: Nicht Großmutter sollte sich um die Bewirtung kümmern, sondern Personal der Nationalbank. Großvater entband auch Mohammad Hassan von seiner Aufgabe und brachte am Tag vor dem großen Ereignis einen fremden Koch mit nach Hause, der sich in der Küche umsah und Anweisungen gab, was noch zu besorgen und was wegzuräumen sei. Mochte Großmutter schimpfen, wie sie wollte, Großvater ließ sich nicht beirren, er hatte genug von den gekränkten Gefühlen seiner Frau und wollte mehr noch ausschließen, sich zu blamieren, wollte keine Gastgeberin, die laut seufzte, während sie die Verteilung des Tees dirigierte, keine Kinder, die durch die Tür lugten, keine Bediensteten, die trödelten, und erst recht keinen volltrunkenen Koch. Als Mozaffar Baghaí und Khalil Maleki spät am Abend eintrafen, wies Großvater das Personal der Nationalbank an, die Tür des Salons geschlossen zu halten.
    Als meine Mutter am nächsten Morgen aufstand, verabschiedeten sich Baghaí und Maleki gerade in der Eingangshalle. Beide waren jünger als Großvater, der ihr einen erschöpften Blick zuwarf, viel jünger, als sie sich Politiker vorgestellt hatte, Baghaí Anfang Vierzig und Maleki Anfang Fünfzig, wie ich heute nachrechnen kann, beide mit neumodischen Aktenkoffern, in eleganten Anzügen und mit schmaleren Krawatten, als Großvater sie trug, Wortführer erkennbar der jüngere Baghaí, der meine Mutter nicht beachtete, kurzgeschnittenes, krauses Haar, große Hornbrille, untersetzt, helles Gesicht mit Doppelkinn, voluminöse Stimme, modischer Anzug, in der Hand ein cremefarbener Hut, während Maleki eher schüchtern oder unsicher wirkte, links und rechts ein paar schwarze Haare auf dem sonst

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