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Romanmanufaktur noch eine Drehung weiter, sind Sie groÃgeschrieben, wenn leider nicht die Leser und Leserinnen, weil Sie zu spät sind, dann so Gott will die Hörer und Hörerinnen in Frankfurt, zugleich sie kleingeschrieben, also andere Figuren des Romans, den ich schreibe. Und das schönste Beet ist: Niemanden, nicht einmal mich selbst interessiert mehr, was wirklich unter meinem Schreibtisch lag, wichtig ist nur das Buch, das im Roman, den ich schreibe, unter der Schreibtischplatte lag. Was immer in der Wirklichkeit geschieht, ob ich am Pult von Theodor W. Adorno eine überzeugende Poetikvorlesung halte, ob die Hörer und Hörerinnen mir gebannt zuhören oder auffällig laut tuscheln, wird spätestens einen Tag, ein Jahr, eine Generation oder meinetwegen zweihundert Jahre später, um einen so bedeutenden Menschen wie Jean Paul zu nehmen, vollkommen gleichgültig sein. Hingegen in den Romanen, die Jean Paul schrieb, kann selbst die geringfügigste Entwicklung eine Bedeutung, ja eine Notwendigkeit für seine Leser haben und sogar nach zweihundert Jahren und in zweihundert Jahren noch zu den höchsten Verwicklungen führen. Wirklich sind in dem Roman, den ich schreibe, nur die Toten, alles andere »nur« ideal, die Anführungszeichen deshalb, weil für Hölderlin nur das Ideale wirklich war.
Warum Hölderlin? Weil der Romanschreiber am 8. Juni 2006 durch einen Zufall, der nicht plausibler ist als die Schreibtischplatte des verstorbenen Schreiners, auf eine herabgesetzte Gesamtausgabe von Hölderlin stieÃ, zwölf Bände für 49,99 Euro zuzüglich Versandkosten, und ein solches Schnäppchen als Wink begriff, es noch einmal mit dem Hyperion zu versuchen.
Warum Jean Paul und Hölderlin?
Der Fahrer ist nicht einmal wählen gegangen. Ob er dennoch etwas von den Demonstrationen mitbekommen habe. â Mein Herr, sagt er, ich hätte mich schon zu Hause einsperren und mit niemandem reden dürfen, um nichts von den Demonstrationen zu bemerken. Und die Gründe, Hintergründe? Der Fahrer versorgt den Berichterstatter mit Details und dementiert Gerüchte. Nein, die Antikrawallkommandos bestünden nicht aus Ausländern. Ja, es gebe genug Iraner, die unter Umständen, die der Staat herbeiführen könne, bereit seien, ihre eigene Mutter niederzuknüppeln. Er selbst war lange Jahre Soldat. Die Anforderungen einer militärischen Laufbahn seien komplex. Einen groÃen, athletischen Körper zu haben genüge nicht. Man müsse sich mit vielem auskennen, umfassend trainiert und klug genug sein, um auch in den Situationen richtig zu reagieren, die man nicht simulieren könne. Aber eine Aufgabe gebe es, für die man als Soldat lediglich einen groÃen, athletischen Körper benötige und möglichst wenig Verstand. Die Antikrawallkommandos würden genau danach ausgewählt: GröÃe und Dummheit, und so indoktriniert, daà sie in den Situationen gerade nicht nachdenken, die man nicht simulieren kann.
Im Ingenieurbüro der Cousine ist um halb vier DienstschluÃ, damit alle Angestellten an der Demonstration teilnehmen können. Bis Viertel nach vier ist man allerdings mit dem FuÃballspiel beschäftigt, Tor für Iran, Jubel. Die Namen der Spieler, die das grüne Armbändchen der Demokratiebewegung tragen, drehen eine Runde nach der anderen durch die GroÃraumbüros. Dann der Ausgleich: Wenn Saudi-Arabien und Nordkorea heute nacht unentschieden spielen, hat Iran nicht einmal die Relegationsspiele für die Qualifikation erreicht, aber jetzt schnell zum Protestmarsch, der keine zehn Minuten entfernt bereits begonnen hat. Da die ersten Toten zu beklagen und alle Demonstrationen untersagt sind, marschieren die Menschen schweigend auf der RevolutionsstraÃe, rufen keine Slogans, führen keine Plakate oder Fahnen mit sich. Selbst von der HochstraÃe aus, die auf YouTube später dutzendfach zu sehen sein wird, überblickt der Berichterstatter weder den Anfang noch das Ende des Zuges. Die meisten halten ein Din A4 groÃes Blatt mit einem Spruch oder dem Photo eines Erschlagenen in die Höhe, das sie selbst ausgedruckt haben. Favorit sind sarkastische Anspielungen auf die Behauptung des Präsidenten, daà in Teheran nur einige Hooligans unterwegs seien wie nach einem verlorenen FuÃballmatch. Auf den Berichterstatter hat noch nie eine Masse so individuell gewirkt, jeder formuliert den Protest auf
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