Dein Name
sind es vor allem jüngere Leute, die sich noch auf die StraÃen trauen, Schüler und Studenten natürlich, aber auch Angestellte, Stewardessen in Uniform, Mädchen im Tschador wie die Tochter des Mentors, überhaupt viele Frauen, mehr als die Hälfte, beileibe nicht nur die Jugend des wohlhabenden Nordteherans, vielmehr scheint die gesamte iranische Studentenschaft vertreten, hört der Berichterstatter aus den Gesprächen heraus, besonders viele Studenten aus der Provinz, die in Wohnheimen wohnen und nun Zeit zum Demonstrieren haben, weil alle Prüfungen abgesagt wurden. Der Rià verläuft nicht zwischen den Bürgern und den Habenichtsen, zwischen Stadt- und Landbevölkerung, zwischen dem Norden und dem Süden der Stadt, eher zwischen den Generationen, vielleicht noch den Schulabschlüssen. Viele der Demonstranten sind die Kinder derjenigen, die ihr Leben für einen islamischen Staat zu geben bereit waren und auch am vergangenen Freitag wie selbstverständlich den Kandidaten des Führers wählten. Die höheren Schulen und Universitäten, die die Kinder besuchen, haben die Eltern mit ihrer Revolution erkämpft.
Das Reisejournal von Robert Payne, das noch von der letzten Reise im Koffer lag, beginnt mit einem Loblied auf Teheran, dessen Berechtigung sich heute nur noch erahnen läÃt: die wenigen Altbauten, die noch erhalten sind, die hohen Bäume links und rechts an allen StraÃen, die Kanäle und Bäche mitten in der Stadt, im Hintergrund das Elbors-Gebirge mit dem bläulichweiÃen Kegel des Damawand, den man ohne Smog sähe â Teheran muà einmal eine bezaubernde Stadt gewesen sein, war es noch Anfang der fünfziger Jahre, als GroÃvater im Taxi zu Doktor Mossadegh in die Kach-StraÃe fuhr, »zivilisiert, zeitlos, gar nicht fremdartig«, wie Payne sich wundert, »seine Platanen, seine flinken kleinen englischen Taxis, seine französischen Tageszeitungen, das Rokoko-Parlamentsgebäude und die gelben Weine. Und dann die Schönheit der Bevölkerung â denn jeder einzelne ist schön, mit groÃen Augen und mutwilligem Mund. ⦠Es lag etwas ganz Märchenhaftes über dieser Landschaft von klaren, bläulichweiÃen Steilhängen, von Chennar-überschatteten StraÃen und gelben Ebenen, der geschäftigen, dunkelhäutigen Bevölkerung und dem âºlieblichen Duft vorbeiziehender, wundervoller Wohlgerücheâ¹, von Gewürzen und heiÃem Leder und dunklen Wasserläufen und sonnenwarmen Erdbeeren. Den ganzen Tag dauerte das Märchen.« Bei allem Wohlmeinen, das Payne in anderen iranischen Städten gar nicht aufbringt, wäre es heute objektiv unmöglich, von Spaziergängen in Teheran zu schwärmen, von der lieblichen Luft, von der Herzlichkeit aller Menschen, dem modernen Flair. Unter allen häÃlichen Plätzen Teherans nimmt der Kanonenhausplatz, an dem GroÃvater aus der Kutsche stieg, einen besonderen Rang ein, überragt von dem himmelhohen Rechteck aus schmutzigem Beton, in dem das Fernmeldeamt untergebracht ist. Wer hier wohnt oder seinen Laden hat, einst das prächtige Zentrum Teherans, später Vergnügungsmeile und heute Arme-Leute-Gegend, mag es für realistisch halten, daà der Kandidat des Revolutionsführers bei den Präsidentschaftswahlen zwei Drittel der Stimmen erhielt.
Der junge Mobilfunkhändler, der trotz des Protestzugs vor dem Schaufenster rasch eine iranische SIM -Karte verkauft, zeigt spöttisch den Vogel, als der Berichterstatter ihn fragt, warum er nicht auf die StraÃe geht. Der Präsident imponiere ihm, sagt der Mobilfunkhändler, seine Furchtlosigkeit, sein Patriotismus und vor allem, daà er einer von ihnen sei und gegen die Bonzen der Islamischen Republik kämpfe. Mit der Religion habe er es persönlich weniger, interessiere sich für FuÃball und Filme. An den Wänden hängen Poster amerikanischer Actionhelden, in den Haaren glänzt Gel. Auf den Einwand, daà der Präsident Kritiker verhaften lieÃe, erwidert er trocken: Das tun sie doch alle. Und die Zensur? Es erscheinen überhaupt keine Romane! â Mein Herr, ich lese keine Romane, in den Zeitungen steht sowieso nichts. Holocaust? â Ich habe keine Ahnung, was stimmt und was nicht stimmt, aber der Präsident hat doch nur eine Frage gestellt. Wirtschaftlich hielten sich die Vor- und Nachteile die Waage: Was die Familie an direkten
Weitere Kostenlose Bücher