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positioniere, habe entweder Panik oder wolle einschüchtern. Wie er höre, seien die Revolutionswächter keineswegs einmütig in ihrer Bereitschaft zur Gewalt. Kämen morgen um vier genügend Demonstranten zum Revolutionsplatz, woran er glaubt, habe das Regime verloren. Erteile es den SchieÃbefehl, gerieten spätestens die Trauerfeiern zum offenen Aufstand. Hielte sich das Regime zurück, erwiese sich die Drohung des Führers als leer. Ob er nicht mit seiner Verhaftung rechne, fragt der Berichterstatter noch. â Die Tasche ist schon gepackt, lacht der frühere Innenminister.
Vom Ferdousi-Platz an, der gut zwei Kilometer entfernt liegt, ist die Stadt besetztes Land: Entlang der Bürgersteine stehen alle fünf Meter Polizisten mit Helm, Knüppel und Schild, auÃerdem Agenten des Geheimdienstes, die in Iran alles sind, nur nicht geheim. Einsatzleiter sind an den Walkie-Talkies zu erkennen. Ãber die RevolutionsstraÃe verteilt und in allen NebenstraÃen warten auf Lastwagen oder in Minibussen die Freiwilligenmilizen und Antikrawallkommandos. Tragen die Freiwilligenmilizen auÃer Weste, Helm und Knüppel ihre StraÃenkleidung, wirken die Antikrawallkommandos mit ihrem Ganzkörperschutz aus schwarzem Plastik wie ein Insektenschwarm. Auf der StraÃe ziehen abwechselnd die Mopeds der Milizen und die Geländemotorräder der Kommandos vorbei, auf denen jeweils zwei Männer sitzen, einer am Lenker, der andere mit Knüppel. Manche Beifahrer halten einen Holzbalken in Händen. Noch nicht zu erkennen sind die sogenannten Zivilgekleideten, die am meisten gefürchtet werden, weil sie nicht erst das Fürchten lehren, sondern sofort zuschlagen.Die Geschäfte sind geöffnet, auf der StraÃe der übliche Verkehr. Je näher der Berichterstatter dem Revolutionsplatz kommt, desto jünger werden allerdings die FuÃgänger. â Die Polizisten nicht ansehen, flüstert ein junger Mann mit Rucksack, weil der Berichterstatter offenbar zu neugierig wirkt: Gehen Sie ganz normal weiter. So beklommen beiden zumute ist, müssen sie dennoch lächeln, als sie feststellen, daà sie den gleichen Vornamen tragen. Am Samstag, dem 20. Juni 2009, erreicht der Berichterstatter um 15:15 Uhr den Revolutionsplatz, der so groà und unwirtlich ist wie so viele Plätze Teherans, dreispuriger Kreisverkehr und in der Mitte eine Baustelle mit Schuttberg, ringsherum mehrstöckige Bauten aus rohem Beton mit kleinen Läden im ErdgeschoÃ, verdreckte Schaufenster. Aus den Autos blicken erschrockene Fahrer auf ein Militärlager: Wasserwerfer, Busse und Geländemotorräder mit weiteren Kommandos und Milizen auch am StraÃenrand und weiterhin Polizisten alle zwei Meter auf dem Bürgersteig. Bleibt ein FuÃgänger stehen, fordert ihn ein Agent des Geheimdienstes barsch zum Weitergehen auf. Während die Freiwilligenmilizen so tun, als stünden sie immer hier, gehen die jungen Leute rein zufällig am Revolutionsplatz vorbei. StraÃen und Geschäfte sollen geöffnet bleiben, nicht einmal das Mobilfunknetz ist abgeschaltet. Nur die Kunden fehlen, und die Verkäufer stehen nicht hinter ihren Theken, sondern bang vor ihren Läden. Um die Zeit bis 16 Uhr zu überbrücken, ohne sich vom Revolutionsplatz zu entfernen, wechselt der Berichterstatter mehrfach die StraÃenseite, um niemandem aufzufallen, trinkt in kleinen Schlucken einen frisch gepreÃten Granatapfelsaft und läÃt sich in einem Schreibwarenladen alle Zeit der Welt, einen Kugelschreiber auszusuchen. AnschlieÃend nutzt er eine Autopanne, um sich eilfertig anzubieten, beim Anschieben zu helfen. â Verschwindet! ruft der Kommandeur eines Antikrawallkommandos. â Wollen wir doch, versichert der Autofahrer. Nach zwei Minuten wird es dem Kommandeur zu bunt und weist er vier seiner Männer an, den Wagen vom Revolutionsplatz zu rollen.
Der Berichterstatter erwartet nicht mehr viel. Selbst die Cousine ist den ersten Tag zu Hause geblieben, wie fast alle in ihrem GroÃraumbüro: Es reicht, daà sie auf einem Video des Geheimdienstes identifiziert wird, um nicht nur ihre eigene Existenz, sondern die Zukunft ihrer beiden Kinder zu ruinieren, deren SchulabschluÃ, deren Aussicht auf einen Studienplatz. Wer von den Demonstranten überhaupt kommt, wird tun, als sei er nur ein FuÃgänger und allenfalls mehrfach den Platz kreuzen. Als der Berichterstatter jedoch um
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